Marathon mit Misstönen

Überraschungssiege bei Frauen und Männern, nachdem deutsche FavoritInnen in Hamburg rabenschwarzen Tag erwischten. Kritik an Hauptsponsor Beiersdorf AG  ■ Von Marcus Vogt

Der Pressesprecher des Marathons begrüßte mit entschuldigenden Worten die JournalistInnen zum verspäteten Beginn der Pressekonferenz. „Man kneift sich während des Rennens alles zusammen, und dann ist es hinterher umso schwieriger bei der Dopingkontrolle.“ Gemeint waren die SiegerInnen, die erst ihre Körperflüssigkeit zu Testzwecken abgeben mussten, bevor sie vors Mikrofon treten konnten. Doch diese Verspätung war belanglos im Vergleich zu den angepeilten, aber klar verfehlten Siegeszeiten.

Der Pole Piotr Gladki überquerte nach 2:11:06 Stunden als erster die Ziellinie – damit trennte ihn mehr als eine Minute von der magischen Grenze von 2:10. Diese hatten Spitzenläufer und Veranstalter unisono zur Traummarke erklärt, die es zu knacken galt. Dafür war die drei Kilometer lange Schlussstrecke entschärft und auf kraftraubende Steigungen verzichtet worden. Es nützte nichts, wie auch nicht der Einsatz von Tempomachern. Sie sollten mit hoher Anfangsgeschwindigkeit für Fabelzeiten sorgen, aber Deutschlands Vorzeige-Marathoni Carsten Eich beklagte später deren mangelnde Unterstützung, sprich: die „Hasen“ waren zu schnell für die Rekordjäger. Für den viertplatzierten Eich wurde der Marathon zur herben Enttäuschung: Er wollte zum ersten Mal in der Hansestadt gewinnen. „Die Platzierung ist Mist, die Zeit ist Mist“, ärgerte sich der 30-Jährige maßlos, der fast zwei Minuten Rückstand auf den Sieger Gladki aufwies.

Noch schlimmer erging es der favorisierten Katrin Dörre-Heinig. Die Weltklasse-Athletin wollte in Hamburg einen Hattrick erlaufen und nach 1998 und 1999 erneut als erste den Beifall des Publikums entgegen nehmen. Sie führte bis Kilometer 20, dann brach eine alte Fußverletzung auf und beendete alle Träume. Damit hieß es Bahn frei für Manuela Zipse, die bereits dreimal als Zweitplatzierte den Hamburg-Marathon beendet hatte. Doch die Siegerin rannte nach eigener Einschätzung zu nervös, um die geforderte Zeit von 2:30 zu laufen, die ihr die Teilnahme an den Olympischen Spielen in Sidney ermöglicht hätte. Verständlicherweise blieb ihr Jubel über den ersten Platz verhalten. Richtig jubeln konnte dagegen Piotr Gladki. Es war seine erste Marathon-Teilnahme überhaupt, doch für den Polen kein Grund zur Bescheidenheit: „I come here to win and I win“, verkündete er nach dem Rennen in holprigem Englisch seine Siegesphilosophie.

Weniger Anlass zur Freude gab die Firmenphilosphie von Sponsor Beiersdorf AG. Um wirtschaftlich weiter auf Erfolgskurs zu steuern, soll die Hamburger Tochterfirma und Marathon-Namensgeberin Hansaplast ausgegliedert werden. Dass dabei circa 480 Arbeitsplätze mittelfristig und etliche weitere langfristig gefährdet sind, rief nicht nur eine 70-Personen starke Demo-Gruppe der IG Chemie, Bergbau und Energie auf den Plan, die nicht das rechte Verständnis für das Marathon-Sponsoring aufbringt – eine Summe von 500.000 Mark wollte Organisator Wolfram Götz weder bestätigen noch dementieren –, wenn gleichzeitig Arbeitsplätze gefährdet sind.

Auch im TeilnehmerInnenfeld regte sich Protest: Trotz der Androhung der Disqualifikation überklebte der Arzt Helmuth Kratzert sein Hansa-Plast-Leibchen soweit, dass nur noch die Startnummer zu erkennen war. Stattdessen schmückten Protestbanner gegen Arbeitsplatzvernichtung bei Beiersdorf Bauch und Rücken.

Für positives Marathon-Feeling sorgte dann doch noch Organisator Wolfram Götz: Mit 16.898 TeilnehmerInnenn hatten sich so viele SportlerInnen wie noch nie gemeldet. Ein anderer Rekord verdüstert das Bild gleich wieder: 167 abgeschleppte Autos sind ebenfalls eine neue Bestmarke.