Keine Freibriefe

■ Hearing zum geplanten Tribunal über den Nato-Krieg tagte gestern in Hamburg

Vierzig Hamburger RechtsanwältInnen hatten während des Kosovo-Krieges nicht von Nato-Intervention gesprochen, sondern Täter benannt. Sie erstatteten Strafanzeige gegen Bundeskanzler Gerhard Schröder und Verteidigungsminister Rudolf Scharping (beide SPD) wegen Führen eines Angriffskrieges. Bei einem Hearing des „Europäischen Komitees zur Vorbereitung eines internationalen Tribunals über den Nato-Krieg“ gestern in Hamburg ernteten die JuristInnen Applaus für ihre Tat – die allerdings ohne Folgen geblieben war. Die Generalstaatsanwaltschaft leitete keine Ermittlungen ein. Der Nato-Einsatz, so die Begründung, sei kein Angriffskrieg, sondern „ultima ratio“ gewesen.

Ein Jahr später warnten die RednerInnen des Hearings, dass diese Begründung der Nato einen Freibrief für weitere Kriege ausstelle. Um diese zu verhindern, bedürfe es einer neuen Friedensbewegung, für die sich die VeranstalterInnen Impulse erhofften. Das Hamburger Hearing diente der Vorbereitung eines europäischen Tribunals am 3. Juni in Berlin.

Die über 20 RednerInnen waren sich in einem weitgehend einig: Dass die serbischen Greueltaten, mit denen der Krieg legitimiert worden war, nie verübt wurden – und selbst dann Bombardierungen ein untaugliches Mittel gewesen wären, sie zu beenden. Deshalb hätten beispielsweise viele GewerkschafterInnen gegen den Krieg Partei ergriffen, sagte Horst Schmitthenner von der IG Metall, und nicht, „weil wir Menschenrechtsverletzungen tatenlos zusehen wollten“. Der Hamburger Matthias Künzel erinnerte daran, dass die Bundesregierung die Konflikte selbst eskaliert habe, indem sie die albanische UCK unterstützte.

Obwohl gegen die Bundesregierung strafrechtlich niemals ermittelt wurde, wusste Volker Böge vom „Komitee für Grundrechte und Demokratie“ von Aktivitäten der Staatsanwaltschaft zu berichten. Rund 50 KriegsgegnerInnen wurden angeklagt – wegen „öffentlicher Aufforderung zu Straftaten“. In einer Zeitungsanzeige hatten sie Soldaten ermuntert, ihre Mitwirkung am Krieg zu verweigern.

Elke Spanner