In dubio pro bacchus

Die Abschlüsse Bachelor und Master werden in Berlin bereits angeboten. Kürzere Ausbildungszeiten garantieren sie jedoch nicht. Jobben im Studium ist im neuen Procedere nach wie vor nicht vorgesehen

von MARTIN KALUZA

Spätestens seit sich der Wissenschaftsrat, ein einflussreiches Beratungsgremium mit Vertretern aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik, Anfang des Jahres mit seinem Reformvorschlag aus dem Fenster gelehnt hat, scheint das Schicksal des guten Onkel Magister und der Tante Diplom besiegelt. Die Zukunft gehört dem Bachelor (BA) und dem Master (MA), Abschlüssen, die aus dem angelsächsischen Hochschulsystem übernommen werden.

Doch auch wenn das Thema durch zu sein scheint, so sagt dies noch nicht viel darüber aus, wie weit die Veränderungen reichen werden. Einerseits wird betont, dass die neue Abschlussstufung flexibel genug sei, um die Eigenheiten des deutschen Hochschulstudiums aufzunehmen, andererseits werden mit ihr Hoffnungen verknüpft, eine Reihe solcher Eigenheiten loswerden zu helfen: Die Reform könnte den deutschen Uniladen generell aufmischen und zum Anlass werden, die verknoteten Studiengänge zu entrümpeln und zu straffen.

Bei jedem Befürworter der neuen Form schwingt eine Vorstellung vom künftigen Inhalt des Studiums gleich mit. Der Master soll, so viel steht fest, nicht einfach ein Magister sein, aus dem potenzielle Studienabbrecher mit dem Bachelor ehrenhaft aussteigen können.

Wenn es nach dem Wissenschaftsrat geht, sollen Studenten grundsätzlich nach drei bis vier Jahren mit dem Bachelor, den man auch Bakkalaureus nennen kann, einen ersten berufsqualifizierenden Titel in der Tasche haben. Dann sollen sie erst einmal arbeiten gehen – nur auffällig tüchtige Studenten sollen gleich den Master/Magister draufsetzen, in ein bis zwei Jahren. Für Erstsemester gäbe es damit keine Möglichkeit mehr, sich zu Studienbeginn direkt bis zum Master einzuschreiben. Gleichzeitig sollen die Promotionsverfahren beschleunigt werden. Während bisher die Masse der Absolventen zwischen 28 und 30 Jahren alt sind, sollen dann die meisten mit 23 oder 24 in den Beruf wechseln. Mit 28 ist der Doktor fällig. Dass Studenten einen Teil ihrer Zeit nutzen, um sich das Geld fürs Studium zu verdienen, ist – wie bei solchen Empfehlungen üblich – nicht vorgesehen.

Neben dem Altersvorteil rechnen sich die Befürworter der Reform aus, dass deutsche Abschlüsse international einfacher anerkannt würden. Die Neuregelung würde nicht nur deutschen Studenten den Wechsel ins Ausland erleichtern, sondern Deutschland auch als Studienort für ausländische Studenten attraktiver machen. Alexander Klose vom AStA der FU kritisiert hingegen, „dass die Anerkennung bereits bestehender Abschlüsse nicht vorangetrieben wird“.

Eine vom Bundesbildungsministerium geförderte Studie des Hochschul-Informations-Systems (HIS) hat denn im vergangenen Jahr auch bestätigt, dass nach Ansicht der Studenten die Vorteile von Bachelor und Master die erwarteten Nachteile nicht aufwiegen: Einem Fünftel der 8.000 befragten FH- und Unistudenten waren die Abschlüsse Bachelor und Master gänzlich unbekannt.

Bei den anderen hat vor allem der Bachelor einen schlechten Ruf. Nur zwölf Prozent derjenigen, die beide Abschlüsse kannten, gaben an, dass sie selbst mit einem ausschließlichen Bachelor-Studiengang zufrieden wären. Dafür, dass dies einmal der Regelstudiengang werden soll, eine schwaches Bild. Für die Möglichkeit, den Bachelor und gleich danach auch den Master zu machen, konnte sich immerhin ein Drittel der Befragten erwärmen – ein gleich hoher Anteil lehnt jedoch auch diesen Weg rundheraus ab. Die Studenten fürchten vor allem, dass das verkürzte Bachelor-Studium verschulter ist als das bisherige Grundstudium, und sehen sich in ihrer Entscheidungsfreiheit eingeschränkt.

In der Praxis wird die Euphorie des Wissenschaftsrates ohnehin gedämpft. Zwar werden in Berlin bereits jetzt einige Studiengänge mit den neuen Abschlüssen angeboten, doch die sind überwiegend Aufbaustudiengänge mit dem Ziel Master (siehe Kasten). Solange nicht auch die entsprechenden Bachelor angeboten werden, sind die Studienzeiten bis zum MA im Schnitt eher länger. Ob und wann die Mehrzahl der Studiengänge auf die neuen Abschlüsse umgestellt wird, wie es der Rat mit großer Geste empfiehlt, ist nicht zuletzt Sache der Universitäten. Und die wollen (und können) nichts überstürzen.

Patrick Thurian, Referent der TU-Vizepräsidenten, erklärt, die Grundsatzdebatte sei an der TU noch nicht abgeschlossen: „Wir können uns die Umstellung probeweise dort vorstellen, wo die Fachbereiche dies wünschen. Das betrifft vor allem die Ingenieurwissenschaften.“

Thurian verweist außerdem auf die Berliner Regelung, der zufolge ein Studiengang erst dann umgestellt wird, wenn er akkreditiert, das heißt inhaltlich überprüft, ist (im Gegensatz zu anderen Ländern, die erst umstellen und dann evaluieren) – und damit komme man mangels zugelassener Akkreditierungsagenturen nicht nach. Und wenn BA und MA parallel zu den alten Abschlüssen angeboten werden sollen, müssten neue Kapazitäten geschaffen werden. Das kostet. Und die gewünschte Verkürzung der Studienzeiten lasse sich ohne finanziellen Mehraufwand allein mit den neuen Titeln ohnehin nicht erreichen: „In anderen Ländern ist das Betreuungsverhältnis ausschlaggebend für kurze Studienzeiten. An dem ändert die Reform der Abschlüsse nichts.“