Weine nicht, wenn der Regen fällt

Allerlei Ungemach für Berlin Thunder: Zum Auftakt der neuen Saison in der NFL Europe unterliegt das Berliner Football-Team nach teilweise desolater Vorstellung der Frankfurt Galaxy mit 7:32

So hatte man sich das beim Berliner Ableger der American Football-Liga NFL Europe nicht vorgestellt, als man der Mannschaft den wohlklingend-martialischen Namen Berlin Thunder verlieh. Anstatt selbst mit blitzgescheiten Angriffen und krachenden Tacklings die gegnerischen Reihen zu zerpflücken, sah sich das Team am Samstag gleich einem doppelten Donnerwetter ausgesetzt. Von oben, wo die Wettergötter mit einem mächtigen Gewitter die Amtsanmaßung des jüngsten Sprosses der europäischen NFL-Tochter ahndeten, und von vorn, wo World-Bowl-Champion Frankfurt Galaxy lauerte, immer wieder über die hilflosen Thunder-Cracks herfiel und seine Punkte fast nach Belieben sammelte. Die mitgereisten Galaxy-Fans jedenfalls amüsierten sich trotz des Sauwetters prächtig, und da sie nichts Besseres zu tun wussten, taten es ihnen die Berliner unter den 10.785 Zuschauern im Jahnsportpark einfach gleich.

Seinen Spaß hätte angesichts der tobenden Elemente und der Wassermassen, die vom Himmel herniederprasselten, sicherlich auch Hollywood-Regisseur Oliver Stone gehabt – selbst wenn sich die Anzahl der gebrochenen Knochen in Grenzen hielt, niemand auf den Platz kotzte und die Körper der Kolosse beim Zusammenprall nicht unbedingt das Geräusch zusammenrauschender Lokomotiven von sich gaben. Anders als in Stones Machwerk „An jedem verdammten Sonntag“ mussten die Spieler der beiden Teams auch nicht durch den Schlamm pflügen und sich als wandelnde Blitzableiter über das Feld wuchten, sondern verzogen sich bei einsetzendem Unwetter am Ende des zweiten Viertels in die Kabine. Dort verweilten sie die nächsten 80 Minuten, während sich das Publikum auf den Rängen bei Drafi-Deutscher-Klängen warm hielt: „Weine nicht, wenn der Regen fällt.“ Schließlich hatte der Himmel ein Einsehen, und das Match konnte zu Ende gespielt werden.

Manch Berliner Akteur hätte es vermutlich lieber gehabt, wenn es die ganze Nacht weiter geblitzt und gedonnert hätte, vielleicht sogar die ganze Saison. Es stellte sich jedoch heraus, dass das Schlimmste bereits überstanden war. Hatten die Gastgeber im ersten Viertel gerade mal 27 Yards Raumgewinn geschafft, eine Fülle von haarsträubenden Fehlern begangen und einen 0:17-Rückstand kassiert, gelang ihnen nach dem dritten Donnerwetter des Abends, dem von Chefcoach Peter Vaas in der Kabine, sogar ein Touchdown, und das Endresultat fiel mit 7:32 relativ glimpflich aus.

Vor allem Thunder-Quarterback Eric Kresser hatte zu Beginn völlig überfordert gewirkt und, obwohl er seinen Mageninhalt bei sich behielt, stark an den ersten Auftritt des Ersatz-Quarterbacks Willie Beaman im Oliver-Stone-Film gemahnt. Kresser agierte mutlos und panisch, hatte oft allerdings auch Grund dazu, weil ihn seine Beschützer schmählich im Stich ließen und er dem Ansturm der Galaxy-Defense hilflos ausgesetzt war. „Er kann nur so gut sein, wie es sein Umfeld erlaubt“, nahm Coach Peter Vaas seinen Quarterback in Schutz.

Das Vorhaben von Berlin Thunder, mit einer großartigen Vorstellung zum Auftakt die Fans zu locken und den Grundstein für eine erfolgreiche zweite Saison zu legen, war jedoch gründlich daneben gegangen. Während Frankfurt und auch Rhein Fire Düsseldorf beim 28:17 gegen die Barcelona Dragons demonstrierten, dass sie erneut zu den Favoriten der Sechserliga zählen, muss sich bei den Berlinern einiges tun, wenn sie mehr als die drei Siege aus dem Vorjahr zustande bringen und mehr Publikum anziehen wollen. Drafi Deutscher allein wird auf Dauer nicht genügen. MATTI LIESKE