Dauerkarte fürs Souterrain

Tennis Borussia verliert bei der Konkurrenz aus Cottbus. Damit verpassen die Berliner trotz Millionen-Investitionen zum zweiten Mal in Folge den Aufstieg in die Fußball-Bundesliga
von JÜRGEN SCHULZ

Die Fans von Tennis Borussia hatten den Schaden, für den Spott sorgte Gastgeber Energie Cottbus. Als die 0:2-Niederlage der Berliner am Sonnabendnachmittag feststand, trat der Sprecher im Stadion der Freundschaft (sic!) über das Mikrofon verbal gegen die rund 200 Anhänger aus der Hauptstadt nach. „Genießen Sie wenigstens noch das schöne Wetter in der Lausitz“, verhöhnte er die TeBe-Schar. Doch die mit hängenden Köpfen in ihrem Zuschauerblock ausharrenden Verlierer mochten sich nicht mit der Frühlingssonne darüber hinwegtrösten, dass der Zug in die Fußball-Bundesliga gerade ohne ihren Verein abgefahren war.

„Ja, das war’s“, meinte ein sichtlich geknickter Trainer Winfried Schäfer, dessen Borussen im Vergleich zu den in rotweißen Energie-„Kampfanzügen“ gewandeten Mannen aus Cottbus über den Platz geirrt waren wie Schlafwandler in Pyjamas. „Wir hatten der Angriffswucht des Gegners nichts entgegenzusetzen“, untertrieb Schäfer die lasche Vorstellung seiner Mannschaft. Energie-Kollege Eduard Geyer trauerte trotz des Sieges und der guten Aussicht auf die Bundesliga einem verpassten Schützenfest nach. „Wir sind fahrlässig mit unseren Chancen umgegangen“, grummelte er.

Eine noch derbere Abfuhr für den Erzrivalen TeBe wäre so richtig nach seinem und dem Geschmack der 10.000 Energie-Fans gewesen. „Beide Vereine sind sich nicht besonders grün“, wusste Geyer schon vor dem Anpfiff. Das liegt weniger an dem Berlin-Brandenburger Derby als vielmehr an dem krassen Verhältnis zwischen beiden Klubs, von Underdog zu finanziell gut bestücktem Hundehalter.

TeBe versucht seit Jahren, sein Glück mit barer Münze zu erzwingen. Die finanzielle Übermacht der Charlottenburger ist dank der Rückendeckung durch den Finanzkonzern Göttinger Gruppe erdrückend. Für 11,2 Millionen Mark durfte sich Trainer Schäfer vor dieser Saison auf dem Transfermarkt neue Profis aussuchen. Der Gesamtetat des Klubs geht an die 30 Millionen.

Davon kann Energie-Manager Klaus Stabach nur träumen. Er musste bei der Sponsorenschaft hausieren gehen, um wenigstens einen bescheidenen Haushalt in Höhe von 13 Millionen auf die Beine zu stellen. Hämisch erkundigte sich Stabach vor einiger Zeit, wo denn bei TeBe die Maschine zum Gelddrucken stehe.

Kaum irgendwo tritt das finanzielle Gefälle zwischen Ost und West so deutlich zutage wie zwischen der rechtschaffen armen Kirchenmaus Cottbus und den Geldsäcken aus Charlottenburg. Die Folge ist eine gar nicht so friedliche Koexistenz zwischen beiden Welten. „Warum tragt ihr eure Spieler nicht auch noch auf den Platz“, ereiferte sich ein Zuschauer mit Energie-Schal. Nicht immer bleibt es so gewaltfrei wie am Sonnabend. Zur Eskalation kam es im August 1996, als Cottbusser Hooligans im Berliner Mommsenstadion eine Übungshandgranate zündeten, wobei ein TeBe-Ordner schwer verletzt wurde.

Seitdem reisen die raren Anhänger der Hauptstadt-Borussia mit chronischem Magendrücken gen Osten. Alles aus dieser Parallelwelt entfacht ihr Misstrauen. In Cottbus erregte die Wahl des Schiedsrichters die Gemüter. „Ausgerechnet der Schößling pfeift“, schimpfte ein Berliner. Christian Schößling brachte zwar als gelernter Jurist beste Voraussetzungen mit für einen Unparteiischen, doch er stammt aus Leipzig, was für TeBe-Fans mindestens genauso östlich ist wie Cottbus.

In der TeBe-Führung machte sich bereits vor der Abreise aus Cottbus Unruhe breit, nachdem der Bundesligaaufstieg nun schon zum zweiten Mal in Folge verpasst worden ist. Präsident Erwin Zacharias und sein Protegé, Trainer Schäfer, entzogen sich allen kritischen Fragen durch Flucht zu ihren Fahrzeugen. Auf der Vereinsversammlung Ende April werden sie jedoch nicht darum herum kommen, der Basis zu erklären, weshalb etwa Cottbus mit wesentlich geringerem Finanz-Input einen deutlich höheren sportlichen Output erzielt.

Zitat:„Genießen Sie nach dem Spiel wenigstens noch das schöne Wetter hier in der Lausitz“