Präsident der Weltbank traurig

Die Weltbank sieht kaum Reformbedarf für sich selbst, sondern diskutiert lieber ein Aids-Programm und den Schuldenerlass. Entwicklungsministerin Wieczorek-Zeul geht dafür auf die Straße, um mit Kritikern zu reden

von KATHARINA KOUFENund MAIKE RADEMAKER

„Was kritisierst du an der Weltbank?“ Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul ließ es sich in Washington nicht nehmen, „mal direkt mit den Demonstranten zu reden“. Und zog los Richtung Downtown, wo am Wochenende rund 20.000 Demonstranten gegen die Frühjahrstagung von IWF und Weltbank protestierten. Der Sicherheitsbeamte schwitzte – nicht nur wegen der Frühlingssonne. Billy, der in Texas studiert und eigens zum Protest angereist war, antwortete ihr: „Die Weltbank macht die Armen noch ärmer.“

Solche Äußerungen machen Weltbankchef James Wolfensohn „sehr traurig“, wie er letzte Woche in einer Rede sagte. Denn er fühlt sich als Entwicklungshelfer – und keineswegs als schnöder Bänker. Schließlich müssen bei den Projekten, für die die Bank den Entwicklungsländern Geld leiht, zahlreiche entwicklungspolitische Kriterien erfüllt werden. „Dazu gehört auch der Umweltschutz“, meint Christian Kampen, Mitarbeiter im Büro des deutschen Weltbankdelegierten Helmut Schaffer. Johan Frijns, Weltbankexperte beim Umweltverband „Friends of the Earth“, kennt die Realität dieses hehren Ansatzes: „Bedenken wegen möglicher Schäden für die Umwelt verzögern aus der Sicht eines Bänkers das Geschäft und verärgern den Kunden.“ Deswegen würden Kredite doch ohne intensive Prüfung vergeben.

Dass die Weltbank kritisiert wird, ist nicht neu. Auf der jetzigen Tagung findet die Kritik allerdings mehr Gehör als sonst. Das liegt nicht nur an den zahlreichen, größtenteils friedlichen Demonstranten, sondern vor allem an der Debatte über eine Reform des Internationalen Währungsfonds, die auf die Weltbank überschwappt. Schließlich ist einer der Streitpunkte die Aufgabentrennung zwischen den beiden.

Trotzdem steht die Reform der Weltbank nicht explizit auf deren Tagesordnung. Es geht vielmehr um den Stand des Schuldenerlasses für Entwicklungsländer und um die Aids-Bekämpfung, vor allem in Afrika. Wieczorek-Zeul, die Ende März in Tansania war, äußerte sich in Washington entsetzt über die „dramatische Entwicklung“ der Krankheit: „Drei Viertel der Infizierten gehören der produktiven Altersgruppe der 15- bis 49-Jährigen an.“ Weltbankpräsident Wolfensohn erklärte dann auch, man wolle der Aids-Bekämpfung höchste Priorität einräumen. Ein löbliches Ziel, abzuwarten bleibt die Umsetzung: Seit der Ausbreitung von Aids vor rund zehn Jahren hat seine Institution es gerade geschafft, insgesamt 400 Millionen US-Dollar dafür auszugeben – genauso viel, wie in nur einem Jahr für Elektrizitätsprojekte.

Die Diskussion über den Schuldenerlass für ärmste Länder wurde überschattet von der Nachricht, dass der ugandische Präsident ein Flugzeug für 37 Millionen Dollar kaufen will. Das ist in etwa die Summe, die das Land jährlich für den Schuldendienst aufbringen muss. Für die deutsche Regierung ist der Flugzeugkauf ein unverzeihlicher Fauxpas des Landes. Skeptikern – wie viele Abgeordnete im US-Kongress, die den Erlass bislang nicht unterstützen – kommen solche Nachrichten gerade gelegen, fürchtet Wieczorek-Zeul.

Dennoch sprachen sich die Weltbank-Gouverneure, zu denen auch Wieczorek-Zeul gehört, dafür aus, den Schuldenerlass „schneller und weitgehender“ durchzuführen. Deutschland zahlt rund 650 Millionen Mark in einen Topf für den Erlass der multilateralen Schulden – also jenen beim IWF und bei den Entwicklungsbanken – ein. Derzeit warten die Geberstaaten auf den Beitrag der USA: Die von Clinton angekündigten 600 Millionen Dollar müssen noch vom Kongress genehmigt werden.