Die reine Schule

Denken, nicht tanzen: Jeru the Damaja predigt im Glashaus der Arena die guten alten HipHop-Werte

Manchmal könnte man das Gefühl bekommen, Jeru the Damaja müsste sich in der quasi biblischen Altersklasse von Grandmaster Flash bewegen, so lange scheint er schon dabei zu sein. Dabei ist er noch nicht mal 30 Jahre alt. Zu rappen begann er, so geht die Legende, zu Hause in Brooklyn allerdings schon im zarten Alter von nur sechs Jahren. Das ist nun schon eine ganze Weile her und irgendwo dazwischen scheint einer der klassischen Native-Tongues-Rapper zum Auslaufmodell degradiert worden zu sein. Nach den viel versprechenden Anfängen als Protegé von Gang Starr und zwei hochgelobten, von Gang-Starr-DJ Premier produzierten Platten wurde er zwar sogar von den herzensguten Fugees gedisst, verschwand aber irgendwann in der Versenkung, ohne seitdem je wirklich vermisst worden zu sein.

Während die alten Kumpels von Gang Starr es mühelos schafften, immer auf der Höhe der Zeit zu bleiben, fand Jeru für sein letztes Album „Heroz 4 Hire“ noch nicht einmal eine Plattenfirma. So verzögerte sich die Veröffentlichung auf einem eigens gegründeten Label immer wieder; dieser Tage kam sie schließlich in die Läden und schlug kaum noch Wellen. Auch eine weitere, gerüchtehalber ebenfalls bereits seit Jahren fertig gestellte Platte wartet immer noch auf einen Termin im Presswerk.

Ein Grund sicherlich: Zwischen Puffy-Pop, seinen Folgen und der vierten oder fünften Neuauflage des Gangsta-Grooves blieb jahrelang kein Platz für die Native Tongues und ihr Verständnis von der „science“, die es zu lehren galt. „Die Aufgabe der Musik ist es“, sagt Jeru, „die Menschen zum Nachdenken zu bringen.“ Kaum ein MC bezog so ausdrücklich Stellung gegen die Verpoppungsbestrebungen auf der einen und die Verherrlichung der Gewalt auf der anderen Seite. Predigen, Aufklärung, Politik, all das hielt sich an den Rändern von HipHop auf, während mittendrin die Dollarmillionen umgesetzt wurden.

Aber an diesen Rändern kann Musik überleben. Nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit propagierte Jeru weiter tapfer seine HipHop-Variante von straight edge: Kein Fleisch, kein Nikotin, kein Alkohol, und dass Jeru immer noch unter einer Strickmütze in den Rasta-Farben seine Dreadlocks versteckt, wird musikalisch komplett ausgeklammert. Keine Reggae-Vibes, keine flotten Soul-Refrains, stattdessen versorgt uns Jeru weiter mit einer strikten Diät aus gesellschaftskritischen Reimen über Rhythmen, die zum Tanzbodenfüllen viel zu vertrackt sind.

Das hat er auf „Heroz 4 Hire“ erstmals in Eigenregie als Produzent knochentrocken und kein bisschen zeitgemäß umgesetzt. Hin und wieder läuft es zwar nicht so ganz rund und ist im Gegensatz zu all dem ultraglatten Zeug, mit dem man heutzutage so zugedudelt wird, durch und durch altmodisch, aber wahrscheinlich gerade deswegen auch überaus sympathisch. THOMAS WINKLER

Heute, 20 Uhr, im Glashaus in der Arena, Eichenstraße 4