Noch ein paar tödliche Granaten vor dem Rückzug

Israel nennt den Termin für den Abzug aus dem Südlibanon. Über die Gefangenenfreilassung kommt es zu Gefechten mit der Hisbullah

BERLIN taz ■ Israel hat die Vereinten Nationen in einem offiziellen Schreiben über den Termin seines Rückzugs aus dem Südlibanon informiert. Danach sollen alle 1.000 israelischen Soldaten am 7. Juli aus der seit 1978 von Israel besetzten „Sicherheitszone“ abziehen. Jehuda Lankri, israelischer Botschafter bei den Vereinten Nationen, übergab das Schreiben gestern UN-Generalsekretär Kofi Annan. Er betonte, Israel respektiere damit die international anerkannte Grenze zum Libanon sowie die 1978 verabschiedeten UN-Resolutionen 425 und 426. Darin war Israel zu einem sofortigen Rückzug aufgefordert worden. Der libanesische Regierungschef Salim Hoss begrüßte die Ankündigung und nannte sie einen „großen Sieg für Libanon“.

Während die Regierung von Ehud Barak den etwa 3.500 Familien der proisraelischen Südlibanesischen Armee eine Ansiedlung in Israel erlauben will, äußerte sie sich noch nicht eindeutig zum Schicksal libanesischer Gefangener. Der Oberste Gerichtshof in Jerusalem bestätigte am Montag eine Entscheidung, wonach das israelische Militär 13 Libanesen freilassen muss. Die Männer waren in den vergangenen Jahren aus dem Nachbarland entführt worden und sitzen seither als „Faustpfand“ in israelischen Gefängnissen. Sie haben nie einen Prozess bekommen.

Nach Angaben von Menschenrechtsgruppen hält Israel rund 150 Libanesen seit bis zu zehn Jahren ohne Gerichtsverfahren in Haft. Ministerpräsident Barak kündigte einen Gesetzentwurf an, um die Freilassung von 6 der 13 Häftlinge zu verhindern, die zur Hisbullah und zur Amal-Miliz gehören.

Nach dieser Ankündigung Baraks lieferten sich israelische Armee und libanesische Hisbullah gestern mehrere Gefechte. Israelische Artillerie beschoss das Dorf Madschdal Zun am Rand der Sicherheitszone. Dabei wurden ein syrischer und drei libanesische Bauarbeiter getötet und vier weitere Zivilisten verletzt. Die muslimischen Kämpfer antworteten mit Raketenangriffen, wobei ein israelischer Soldat verletzt wurde.

Syrien hat rund 30.000 Soldaten im Libanon stationiert und diktiert dem Land faktisch seine Politik. In den vergangenen Jahren hatten sich die Libanesen diesem Diktat widerwillig gebeugt. Seit der Ankündigung des israelischen Truppenrückzugs aus Südlibanon, der im Nahen Osten als Schwächung der syrischen Position aufgefasst wird, formiert sich in der Bevölkerung Protest gegen die Besatzer. Libanesische Studenten demonstrierten am Montag vor dem Justizministerium in Beirut erstmals öffentlich gegen die syrische Präsenz. Fünf Demonstranten wurden bei Zusammenstößen mit der Polizei verletzt. FLORIAN HARMS