„Liebe taz...“ Das hätte ich gern

Betr.: „Mehr Kontrollettis“, taz vom 18.4.2000

Jawohl, das hätte ich auch gern – eine nette innenstadtnahe Wohnung und einen Schreibtisch an der Schlachte, zu dem ich das meiste, was ich zum Arbeiten brauche, in Kopf, Hintern und einer Butterbrotdose mitbringen kann. Es gibt nicht nur taz-RedakteurInnen auf der Welt, die – politically correct – mit dem Manufaktur-Fahrrad zur Arbeit fahren und auf dem Heimweg noch eben den Abendeinkauf erledigen können.

Ich bin ein Teil eurer Zielgruppe, die vom Kurs abgekommen ist – taz-Abonnent mit Handwerksbetrieb (Zimmerei) mit Sitz im Viertel (...) 99,9 Prozent meines täglichen Brotes lassen sich nur mit Material und Maschinen verdienen. Und die müssen irgendwie von A nach B.

(...) Baustelle Charlottenstraße: Material anliefern – Knöllchen. Zweites Firmenfahrzeug für 20 Minuten im eingeschränkten Halteverbot – Knöllchen. Täglich. Die Ausnahmegenehmigungen für Handwerksbetriebe, die von der Stadt Bremen erteilt werden, kos- ten mich bei meinem Betrieb 650 Mark im Jahr.

Und irgendwann kommt dann eine Kundin, die als taz-Redakteurin vielleicht ein Haus im Viertel oder auf dem Peterswerder erworben hat. Und möchte von einer Zimmerei einen neuen Dachstuhl mit Innenausbau angeboten bekommen. Und vielleicht wird sie sich dann wundern, dass nach der Besichtigung der Baustelle auf dem Angebot ein Zusatzpunkt „Täglicher Aufschlag für Rangieren, Parken, Knöllchen, Fußweg vom Parkplatz zur Baustelle, Schleppen von Maschinen und Material usw. = 72,50 Mark pro Werktag“.

(Und meistens kommt dann die verwunderte Frage, ob das nicht auch billiger geht). Und das geht dann: Firma Y beschäftigt Subunternehmer, die sie nur für ihre Verweilzeit auf der Baustelle und das unter Tarif und meistens schwarz bezahlt – und die erhält den Auftrag. Politically correct. Aber so ist das mit Theorie und Wirklichkeit – das Leben ist komplizierter als vom Schreibtisch an der Schlachte aus...

Joachim Mank