Orchester mit Verwöhnaroma

■ Früher galt die Deutsche Kammerphilharmonie als basisdemokratisch. Heute ist sie ein Club demokratischer Unternehmer. Einen Hauptsponsor hat sie jetzt sogar auch

Mit der Deutschen Kammerphilharmonie holte die Ampelkoalition zu Beginn der 90er Jahre nicht nur ein gutes, sondern auch ein demokratisch organisiertes Orchester nach Bremen. Mit dieser Selbstdarstellung ist es inzwischen offenbar vorbei. „Wir sind ein Unternehmerorchester“, gab der Kammerphilharmonie-Geschäftsführer Albert Schmitt gestern eine neue Losung bekannt. So was kommt auch außerhalb der Musikszene gut an. Denn das Unternehmen Kammerphilharmonie, das 60 Prozent seines Etats selbst einspielt, hat jetzt ein anderes Unternehmen als Hauptsponsor gewonnen: Zunächst für zwei Jahre, aber mit klarer Absichtsbekundung auf Verlängerung, unterstützt Kraft Jacobs Suchard (KJS) das Orchester und drängt damit die Sparkasse in die zweite Reihe. Über die Höhe des Sponsorings machten Orchester und KJS keine Angaben.

„Die Kammerphilharmonie ist jung, unkonventionell und international sehr erfolgreich“, begründete KJS-Sprecher Rolf Sauerbier das neue und freilich nicht selbstlose Engagement. Weil sich aus der Fernseh-Werbung immer mehr ZuschauerInnen wegzappen, werde das Event-Sponsoring in Zukunft immer wichtiger, meint Sauerbier. In Deutschland hat der Konzern KJS, der sich bald in „Kraft Foods“ (auf Salopp-Deutsch: Kraft Fütter) umbennen wird, dabei bislang eher auf Sport-Events gesetzt. Abgesehen von lokalem Sponsoring für das Bremer Theater oder das Musikfest kommt jetzt mit der Kammerphilharmonie auch für internationale Auftritte die Kultur dazu. Der KJS-Mutterkonzern Philip Morris macht das schon längst.

Überregional setzen Sauerbier und Sprecher des Orchesters auf das Image der Kammerphilharmonie. Sie will sich zwar weiterhin auch mit eher experimentellen Projekten profilieren. Doch für's Hauptgeschäft ist die Linie klar: Weg von dem alten Image, im internationalen E-Musik-Business nur gut für abseitige Programme zu sein, und hin in Richtung Main-stream. Den allerdings will das Orchester unter seinem jungen Chefdirigenten Daniel Harding durch einigermaßen originelle Ansätze wie die Brahms-Einspielung in „un-romantisch“ kleiner Besetzung aufmischen. „Wir wollen in die Champions-League“, sagt Albert Schmitt. Bereits gebuchte Auftritte bei den Londoner Proms oder bei den Salzburger Festspielen sind Zeichen dafür, dass das Orchester den Fuß in der Tür hat.

Das klingt nach einer Aufsteigergeschichte, und da hängt sich ein Unternehmen gerne dran. Trotzdem hat KJS laut Sauerbier auch klare auf Bremen bezogene Interessen. „Wir wollen, dass das Kulturleben in Bremen floriert. Das ist ein klarer Wettbewerbsvorteil“, sagt Sauerbier. Und: „Wenn wir früher junge Leute anwerben wollten, sagten die: ,Why the hell sollten wir nach Bremen gehen?' Das hat sich inzwischen gebessert.“ Das liege unter anderem an der Kammerphilharmonie. Deshalb hält Sauerbier auch wenig von der von mehreren KulturpolitikerInnen vorgeschlagenen Kooperation von beiden großen Bremer Orchestern. Auch Schmitt und Harding lehnen das ab. „Die organisatorischen und strukturellen Unterschiede sind einfach zu groß“, sagt Schmitt.

Zurzeit hat die Kammerphilharmonie einen 6,5-Millionen-Mark-Etat. 1,8 Millionen Mark sind Zuschüsse der Stadt. Die Hoffnung mancher PolitikerInnen, öffentliche Zuschüsse durch Sponsoring ersetzen zu können, hält nicht nur KJS-Sprecher Rolf Sauerbier für falsch. Das sei kein Zeichen für den Ausstieg, sondern „umgekehrt ein Signal an die Politiker, das Orches-ter langfristig zu sichern“, so der ehemalige Senatssprecher und jetzige Geschäftsführer der Bremen Marketing Gesellschaft Klaus Sondergeld. ck