Lang lebe Kim Il Sung

Sozialistische Heldenverehrung zwischen Anstrengung, Melancholie und Videothek: Unter dem Titel „East of Siberia“ zeigt das Eiszeit ab heute eine Reihe mit Filmen aus Nordkorea
von BARBARA SCHWEITZERHOF

Glücklich sei das Land, das keine Helden braucht – hat Bertolt Brecht mal gesagt. Die Länder des Staatssozialismus kann er damit nicht gemeint haben, zeichneten sie sich doch gerade durch ihr ausgefeiltes System zur Heldenerzeugung, -belohnung und -lobpreisung aus. Heutzutage muss man den Blick schon bis nach Nordkorea wenden, um sie wieder zu sehen, die Paraden der Enthusiasten, die Reden der Arbeitseuphoriker und die mit Orden überladenen Brustkörbe. Reichlich Gelegenheit dazu bietet nun die kleine nordkoreanische Filmreihe, die das Eiszeit-Kino unter dem Titel „East of Siberia“ vom 20. bis 26. April zeigt.

Was weiß man schon über Nordkorea außer dass es eines der wenigen verbliebenen Länder ist, in denen noch ausgiebigst einem Persönlichkeitskult gehuldigt und kollektiv das Feld bestellt wird? Vielleicht noch das: Es ist kein Paradies der freien Meinungsäußerung. Weshalb man die Erwartung, anhand der gezeigten Filme etwas über das wirkliche Leben in der „Koreanischen Demokratischen Volksrepublik“ zu erfahren, nicht besonders hoch setzen darf. Alle Filme der Reihe (acht Spiel- und vier Dokumentarfilme aus den vergangenen 15 Jahren) entstammen den staatlichen Filmstudios und sind damit ganz auf der offiziellen Linie.

Egal welches Genre, ob historisches Kriegsspektakel oder Gegenwartsdrama, stets wird hier Ideologie abgebildet, werden die Dinge so geschildert, wie sie sein sollten und weniger, wie sie sind. Woraus sich für den interessierten Betrachter eine Art Denksportaufgabe ergibt: vom einen auf das andere zu schließen. Je bitterer ein Held bereut, dass er sich in seiner Jugend von den Lichtern der Großstadt hat blenden lassen und sein Heimatdorf verließ (wie in „The Bellflower“), desto sicherer ergibt sich daraus, dass Landflucht in Nordkorea ein Problem zu sein scheint.

Doch diese Interpretations-Arithmetrik ist noch die am wenigsten vergnügliche Art, die Filme zu schauen. So zeigt der mit „Song of Kim Yong Il“ betitelte Dokumentarfilm eine Gymnasiasten-Aufführung zu Ehren des „Großen Führers“, im ganzen Arrangement so pathetisch und geschmacklos, dass man sich dem Ganzen nur noch ironisch ergeben kann. Auch die glorreichen Bauten in „Changes of Pyongyang during the forced march“ – ein Hotel, das einer monströsen Jugendherberge mit vollautomatischer Fütterungsmaschine gleicht, und eine Autobahn, auf der man nur ein einziges Auto sieht, allerdings stehend! – verführen den West-Zuschauer dazu, jene Haltung einzunehmen, die man früher „camp“ nannte: Man freut sich am grotesken Missverhältnis von Anstrengung und Ergebnis, und das nicht etwa schadenfroh, sondern mit liebevoller Anteilnahme.

Neudeutsch übersetzt man „camp“ mit „Kult“, und es gibt einige, die Letzteres für die zynische Variante des ersten halten. Doch die Grenzen sind fließend, wie man sozusagen im Selbstexperiment an dieser Filmreihe feststellen kann. Hat man sich einmal dazu entschlossen, die Spielfilme mit ihrer stereotypen Moral und ihrem kämpferischen Pathos als Trashperlen zu sehen, geht auch von einer Frau, die sich mit einem „Lang lebe Kim Il Sung“-Schrei selbst in die Luft sprengt (wie im Kriegsfilm „My Happiness“), kein Schrecken mehr aus.

Richtig gut aufgehoben fühlt man sich mit dieser Rezeptionshaltung aber vor allem bei Filmen, in denen anstelle der Handlung die „martial arts“ im Vordergrund stehen. „Order No 027“, der im Koreakrieg spielt und zeigt, wie ein kleiner Trupp Nordkoreaner dank Taekwondo die verhassten Südkoreaner schlägt, war in den späten 80er-Jahren sogar in den Kinos der Sowjetunion ein Hit. „Ultimate mission“ aus dem Jahr 1988 stellt den bewussten Versuch dar, einen kommerziellen Videohit zu landen. Gemeinsam mit Italien produziert, wurde hier zugunsten des Schauwerts sogar auf kommunistische Inhalte verzichtet.

Selbst wenn man sich ganz auf den Kult- und Trash-Aspekt der Filme konzentriert, kommt man kaum an einer gewissen, alles durchziehenden Melancholie vorbei. Letztlich macht sie den abrundenden Charme dieser Filmreihe aus. Denn die Helden des Sozialismus sind andere als die des Kapitalismus. Nur auf den ersten Blick erscheinen sie unmenschlicher, weil weniger individuell gezeichnet. Auf den zweiten tritt an ihnen hervor, was der westliche Held stets in Nonchalance zu verbergen sucht: die Anstrengung, die das Heldentum kostet. Wenn in „Forever in our memory“ die Menschen auf den Deich steigen und sich mit ihren bloßen Leibern einer Flutwelle entgegenstemmen, begreift man auf neue Weise, weshalb Länder ohne Heldenbedarf glücklicher sind: Sie müssen sich einfach weniger abmühen.

Bis 26. April, jeweils ab 18 Uhr im Eiszeit-Kino, Zeughofstraße 20

Hinweis:Richtig gut aufgehoben fühlt man sich vor allem bei Filmen, in denen anstelle der Handlung die „martial arts“ im Vordergrund stehen