Historischer Prozess in Aceh

Erstmals müssen sich indonesische Militärs wegen Verbrechen an Zivilisten vor einem Sondergericht verantworten. Kritiker sprechen von einer Farce

BANGKOK taz ■ In der indonesischen Unruheprovinz Aceh hat gestern ein historischer Prozess begonnen: Zum ersten Mal müssen sich indonesische Soldaten für Verbrechen an der Zivilbevölkerung verantworten. Das Verfahren wurde unter starken Sicherheitsvorkehrungen in der Hauptstadt Banda Aceh eröffnet.

Der Staatsanwalt beschuldigte 24 Soldaten und Zivilisten des „vorsätzlichen Mordes“ an einen muslimischen Geistlichen und 56 Dorfbewohnern im Sommer 1999. Bei Schuldspruch droht den Angeklagten die Todesstrafe.

Im Konflikt zwischen dem Militär und einer wachsenden Unabhängigkeitsbewegung sind in der rohstoffreichen Provinz seit Ende der 80er-Jahre über 3.000 Menschen umgekommen. Obwohl Präsident Wahid mit Führern der separatistischen „Bewegung Freies Aceh“ Kontakt aufnahm, ebbt die Gewalt nicht ab. Allein seit Anfang dieses Jahres starben 300 Menschen. Das Militär beschuldigt die Rebellen und durchkämmt die Dörfer. Dabei kommt es häufig zu grausamen Übergriffen: so auch in dem Fall, der jetzt verhandelt wird. Nach Zeugenberichten hatten die Soldaten ihre unbewaffneten Opfer auf freiem Feld hingerichtet.

Zudem kam das Verfahren nur nach heftigen Widerstand der Armee zustande. Als Kompromiss entschied die Regierung, ein Sondergericht einzusetzen, in dem neben zivilen Richtern auch Militärs sitzen. Vor dem Gerichtsgebäude demonstrierten deshalb gestern über hundert Acehnesen, die von einer „Farce“ sprachen.

JUTTA LIETSCH