Der Gagá-Kult

Es werden zwei Gruppen von Göttern unterschieden: die friedlichen Radá und die kriegerischen Petró. Während die Radá die religiösen Konzepte und Mythen der westafrikanischen Tradition darstellen, sind die Petró aus den grausamen Erfahrungen der Afrikaner auf der Insel Hispaniola entstanden. Die Petró-Götter sind eine direkte Reaktion auf die Brutalität des Sklavenhaltersystems und antworten auf das Bedürfnis der Schwarzen, die Grausamkeiten der Ausbeutung zu verarbeiten.

Im religiösen Zusammenhang des Gagá finden sich viele Petró-Elemente wie zum Beispiel der Gebrauch von Pfeife und Peitsche. Die Peitsche ist das Symbol des Triumphes über die Sklaverei. Die Petró-Rituale stimulierten die Sklaven im 18. Jahrhundert zu Aufständen und führten 1804 zur Bekämpfung des Kolonialismus. Auch die Pfeife wird mit der Sklaverei assoziiert. Sie erinnert an die Herrschaft der Vorarbeiter und symbolisiert andererseits die Führung derjenigen, die die Massen in die Freiheit geleitet haben.

Während der Gagá durch die Straßen zieht, ertönt lautes Peitschenknallen und der schrille Ton der Trillerpfeifen. Damit werden die Petró –Götter gerufen, die Geister des Krieges und der Rache. In der Zeremonien finden rituelle Trancen statt, bei denen die einzelnen Teilnehmer von Petró-Göttern besessen werden und ihre Macht durch so genannte Feuerproben unter Beweis stellen.

Zentrale Petró-Gottheiten sind die Guédués. Der Chef dieser Götterfamilie ist el Barón del Cementerio, der den Friedhof bewacht und zwischen Lebenden und Toten vermittelt. Er ist der Gott des Todes, der Wiederauferstehung und der Männlichkeit, repräsentiert durch die Farbe Schwarz. Der dueño del gagá kleidet sich ihm zu Ehren schwarz: freier Oberkörper, schwarze Hose, schwarzer Hut, schwarze Sonnenbrille, manchmal trägt er als Symbol der Manneskraft einen roten Stock. Laszivität und Geilheit dominieren sein Auftreten. Der Gagá ist auch ein Fruchtbarkeitskult.

Seit Beginn der Sklaverei passten sich die in die Neue Welt verschleppten Schwarzen dem christlichen Kalender an, der ihnen aufgezwungen wurde. Katholische Feste wie Weihnachten oder Ostern gaben den Raum, eigene Zeremonien mit afrikanischer Musik und Tanz abzuhalten.

Die Sklaven versteckten hinter vorgetäuschter Devotion und Zustimmung vor den weißen Gutsherren ihre religiösen Praktiken, die im Kolonialsystem verboten waren.

Vier Bambusrohre – papá bambú, segundo bambú, tercer bambú etc. – unterschiedlicher Länge und Dicke machen den unverwechselbaren Sound des Gagá aus. Sie werden stoßartig geblasen und bilden zusammen eine Melodie. Daneben gibt es Trommeln, Trompeten, Muschelhörner und viele kleinere Perkussionsinstrumente. Diese Musik begleitet den Chor, der mit seinen Gesängen die Petró-Götter anruft und auf ganz irdische Themen wie Sexualität und die erotische Beziehung zwischen den Geschlechtern anspielt.