berliner szenen
: Die Linke und ihr Fetisch

DROGEN

Am Mittwochabend sprach der Hamburger Kriminologe Sebastian Scherer im Bethanien über „die Linke und die Drogen“. Das Thema interessiere heutzutage kaum noch einen, sagte Scherer anfangs, und es wisse auch kaum noch einer, was „links“ heiße: dass nämlich alle Verhältnisse umgeworfen werden sollen, in denen der Mensch ein geknechtetes, erniedrigtes, unglückliches Wesen ist.

Dazu sind diverse Verzichtsleistungen zu erbringen, revolutionäre Disziplin ist gefragt; Andererseits versucht der Revolutionär das kommende Glück u. U. auch mit Drogen zu antizipieren. Das führt zu Konflikten, und in der Geschichte der Linken sind Drogen auch nicht wohl gelitten: Engels und Marx hatten eindrucksvoll über die Folgen des Opiums geschrieben, mit dem die englische Arbeiterklasse im 19. Jahrhundert unerträgliche Verhältnisse überlebte. Schon bei ihnen wurde die Droge zum fetischisierten Subjekt, das den zum Objekt gewordenen Arbeiter im Würgegriff hat.

Dies bestimmt bis heute die Haltung nicht nur der Linken, die übersieht, dass es auch selbstbestimmte Formen des Konsums gibt. Die Droge als „Ungut“ und kulturuntauglichen Feind zu betrachten, so Sebastian Scherer, sei falsch und unmarxistisch gedacht: Jede Droge kann alles sein. Der Dealer sei nicht mehr Mörder als etwa der Beaujolaisverkäufer, um vom Autohändler gar nicht zu reden. „Ein Glas kann gut sein, ein Fässlein weniger“, auch Butter wirke zuweilen letal (Cholesterin).

Natürlich ist Drogennehmen risikoreich. „Ich finde ja, es ist gut, mit Drogen zu handeln“, sagte Scherer, das so genannte Drogenproblem sei ein Epiphänomen. Sein angenehm altmodischer Vortrag imponierte auch, weil er auf die üblichen uferlosen Problematisierungen verzichtete. Herrenpullunder sind übrigens wieder hip und unterstreichen die Ernsthaftigkeit des eigenen Anliegens. DETLEF KUHLBRODT