Farbenfroh in die Gruft

Party und Tod sind für die Kreuzberger Bestatterin Claudia Marschner kein Gegensatz. Sie setzt auf Kunst „im Angesicht des Todes“ und lässt Angehörige die Särge der Verstorbenen bemalen

von NICOLE MASCHLER

An der Wand des Verkaufsraums prangen die berühmten drei Affen. Nichts sehen, nichts hören, nicht darüber reden: Die meisten Menschen sind froh, wenn sie sich nicht mit dem Tod auseinandersetzen müssen, glaubt Claudia Marschner. Wer Sterben und Vergänglichkeit thematisiert, davon ist die KreuzbergerBestatterin überzeugt, rührt noch immer an gesellschaftliche Tabus.

Die 33-Jährige, die in der Fidicinstraße ein Bestattungsinsitut betreibt, reibt sich gerne an Konventionen. Auch sie selbst entspricht nicht dem Bild, das sich die Leute von einem Beerdigungsunternehmer machen. Groß, kurze Haare, dunkle Stimme – eine, die gerne lacht und sich von Alltagsproblemen nicht vereinnahmen lässt. Partylaune und Tod sind für Marschner kein Gegensatz. Doch bei vielen Menschen stößt sie auf Unverständnis. Auf einer Feier unterhielt sie sich kürzlich angeregt mit einer Frau – bis das Gespräch auf den Job kam. „Dabei ist der Tod auch ein Lebensthema. Die Frage ist doch, welche Prioritäten ich im Angesicht des Todes in meinem Leben setze“, meint Marschner.

Ihren Laden hat sie in warmen, hellen Tönen gestrichen. Statt Kreuze und Bibelsprüche schmücken Kunst und ein Designerschrank die Wände. In der Ecke des Raumes steht ein plüschbezogener Sarg, in Rosa und Himmelblau. Ähnlich farbenfroh sind die Urnen für die Feuerbestattung. Ob Rattansarg oder die Variante aus Holz, lackiert oder Natur – die Auswahl ist groß.

Es sind keineswegs nur die Exaltierten, die den Weg in den kleinen Laden am Platz der Luftbrücke finden. Frauen, deren Partner gestorben ist. Eltern, die ihr Kind verloren haben und keine triste Beerdigung in Schwarz wollen.

An dem Bestattungsinstitut, in dem sie früher gearbeitet hat, störte Marschner vor allem die Routine im Umgang mit dem Tod. „Das einzige, was zählte, war der Umsatz. Dort ging es zu wie am Fließband.“ Für Individualität und echte Gefühle blieb kein Raum.

Wer will, kann bei Marschner den Sarg selbst bemalen. Zu fünft oder sechst sitzen Freunde und Angehörige dann im Nebenraum zusammen, haben Kekse und Getränke mitgebracht und erinnern sich beim Malen an den Verstorbenen. „Eine besondere Form des Abschiednehmens“, glaubt Marschner.

Sie selbst war vierzehn, als die Mutter starb. Ihre Traurigkeit schob sie damals beiseite – sie hatte genug Probleme mit dem Erwachsenwerden. Zehn Jahre später holte sie der Schmerz mit umso größerer Wucht ein. Die Arbeit im Bestattungsinstitut war für Marschner auch ein Stück verspäteter Trauerarbeit. Doch oft muss sie Angehörige erst ermutigen, die Trauerrede selbst zu schreiben oder die Lieblingsmusik des Toten auszuwählen.

Rund 4.000 Mark berechnet Marschner im Schnitt für eine Beerdigung. Je mehr die Familie selbst organisiert, desto billiger ist die Bestattung. Noch so ein Tabu. Denn über Geld wagen die meisten nicht zu reden. Marschner sieht das eher pragmatisch. Denn eine persönliche Feier sei ohnehin keine Frage des Geldes.

Allein, manche Friedhofsverwaltungen sperren sich dagegen, wenn Angehörige allzu eigenwillige Wünsche für die Beerdigung anmelden. „Gerade evangelische Friedhöfe sind da nicht immer tolerant“, musste die Bestatterin erfahren.