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: Handball-Bundesliga strebt nach mehr Attraktivität

DIE ZEBRAS ALS ZUGPFERDE

„In der Ostseehalle sind schon viele große Mannschaften untergegangen“, weiß Christian Schwarzer, obwohl es eine Weile her ist, dass der 30-jährige Handballspieler zuletzt beim THW Kiel antrat. Seit 1999 spielt der ehemalige Niederwürzbacher beim FC Barcelona und mit dem kommt er heute (16.15 Uhr, live im DSF) zum ersten Finale der Champions League nach Kiel. Das Rückspiel wird dann eine Woche später in Barcelona ausgetragen.

Für beste Stimmung in der Ostseehalle ist heute in jedem Fall gesorgt, manch ein Funktionär im deutschen Handball wünscht sich, dass dies doch immer so sein möge, vor allem in der Bundesliga, die mehr Zuschauer, Attraktivität und Fernsehpräsenz gut gebrauchen könnte. Eine ähnlich tolle Atmosphäre wie im Europacup gab es zuletzt auch beim Final-Four-Pokalfinale in der Alsterdorfer Sporthalle in Hamburg. Spannung war garantiert, die Karten schon Wochen vorher ausverkauft.

Seit sieben Jahren wird der deutsche Pokalsieger auf dieselbe Weise ermittelt: samstags Halbfinals, sonntags Endspiel – drei Spiele der vier besten Teams der wohl stärksten Liga der Welt innerhalb von zwei Tagen. 41 Nationalspieler, davon 23 internationale waren diesmal zu sehen. Der Erfolg an jenem Wochenende (es gewannen – wie immer – die „Zebras“ vom THW Kiel) hat nicht nur das Konzept des Deutschen Handballbundes (DHB) bestätigt, sondern auch eine schon lang geführte Diskussion neu befeuert: Sollte nicht auch der deutsche Meister in einer Play-off-Runde ermittelt werden?

Ein schwieriges Kapitel. Einerseits: Es ist natürlich spannender, den Meister in einer komprimierten, überschaubaren Finalrunde auszuspielen, bei der sich auch das Fernsehen mit dem Übertragen leichter tut, als wenn es gilt, die Zuschauer mehr als ein halbes Jahr lang einmal pro Woche vor die Werbeblöcke der Glotze zu bekommen. Andererseits: Sind Play-offs sportlich gesehen gerecht? Gewinnt in einer ausgeglichenen Liga nicht zwangsläufig die Mannschaft, die am Ende gerade den besseren Lauf hat anstatt das übers Jahr gesehen stärkste Team?

Zuvörderst geht es natürlich ums Geld, um Fernsehzeiten und den viel zu vollen Spielplan. Zur Wiedereinführung der Play-offs – Anfang der 90er Jahre wurden Meister und Absteiger bereits auf diese Weise ermittelt – müsste die 18er-Liga reduziert werden, um den Terminkalender nicht noch stärker zu strapazieren. Für die Stars kommt zu den Bundesliga-, Pokal- und Europapokalspielen der kommenden Saison noch einiges hinzu: Olympische Spiele (16. 9. bis 1. 10), Weltmeisterschaft (Januar 2001) und EM-Qualifikation (auch noch im Januar). Von August bis Mai wird die nächste Bundesligaspielzeit dauern – eigentlich absurd der Gedanke, da auch noch eine Play-off-Runde hineinflicken zu wollen.

Dennoch hält sich die Idee seit Jahren. Martin Schwalb, mittlerweile als Trainer der Wallauer Handballer entlang der Seitenlinie aktiv, gilt als Verfechter der Play-off-Idee. Nationaltrainer Heiner Brandt findet Play-offs „irgendwo schon interessant“. Heinz Jacobsen, der Ligaausschussvorsitzende, sieht in der Reduzierung der Liga „unter Umständen eine Konsequenz“; bis 2001 sei aber alles verbindlich geregelt. Außerdem sei die Mehrheit der Liga eh strikt dagegen. Play-offs würden das Gefälle zwischen Arm und Reich noch verschärfen und auch die normale Punktrunde nicht gerade attraktiver machen, so Jacobsen.

DHB-Präsident Ulrich Strombach erinnert sich dagegen noch gerne an die Westdeutschen Meisterschaften, damals in der Dortmunder Westfalenhalle: acht Mannschaften, K.o.-System – wunderbar. Heute sieht er kein zurück mehr. „Früher gab es 14 Teams und zwei, drei davon waren immer vorne. Heute gibt es 16 gute und zwei schlechte. Es ist wie im richtigen Leben: Zurückschrauben ist fast nicht mehr möglich.“

Das Fernsehen ist und bleibt bestimmender Faktor der Randsportart Handball. Nach drei rauschenden Handballfesten in Hamburg, die keine Wünsche offen ließen, war Heinz Jacobsens Sorge, „ob das alles auch gut rüberkam im Fernsehen“. Nun ja, war ja nicht so viel Fernsehen da. Die ARD übertrug lieber das sportlich wertlose Schaulaufen der Eiskunstläufer, das ZDF die obligatorischen siebendreiviertel Pflichtminuten, der Hessische Rundfunk schaltete im Halbfinale kurz vor Ende der Verlängerung um; nur N3 blieb dran. Noch ein Argument gegen Play-offs: „Das Fernsehen kommt erst, wenn es spannend wird“, glaubt Heinz Jacobsen und hat wohl Recht damit. Selbst wenn die Kieler Zebras diesmal auch noch die Champions League gewinnen sollten. Es bleibt schwierig. THOMAS BECKER