Krise eiligst gelöst

Giuliano Amato soll Italiens 58. Nachkriegsregierung zusammenstellen. Die Mehrheit der Mitte-Links-Koalition im Parlament scheint ihm sicher

ROM taz ■ Während sich in den letzten Tagen in Rom die Ereignisse überschlugen, während nach dem Rücktritt des Ministerpräsidenten Massimo D`Alema aufgeregt über die Nachfolgelösungen diskutiert wurde, war einer gar nicht da. Als sei er bloß Zaungast der Regierungskrise, setzte Schatzminister Giuliano Amato unverdrossen seine Amerikareise fort. Erst gestern früh schwebte er aus New York kommend wieder in Italien ein – nun als Ministerpräsident in spe.

Schon am Freitagmittag hatte Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi die üblichen Konsultationen mit den Vertretern aller Parteien in Rekordzeit abgeschlossen. Im Eiltempo auch hatten sich alle Fraktionen des Regierungsbündnisses auf Giuliano Amato als Nachfolgekandidaten für D`Alema geeinigt. Damit verfügt Amato zumindest auf dem Papier über eine, wenn auch knappe Mehrheit von 320 Stimmen im 630-köpfigen Abgeordnetenhaus. Grund genug für Ciampi, ihn in Übereinstimmung mit der Verfassung und gegen die Proteste der Rechtsopposition um Silvio Berlusconi mit der Regierungsbildung zu beauftragen.

Die Vertreter der Rechten, vorneweg Berlusconi selbst und sein Alliierter Gianfranco Fini von der postfaschistischen Alleanza Nazionale, hatten den Präsidenten gestern erneut zur sofortigen Parlamentsauflösung aufgefordert. Zwar bescheinigte Berlusconi Amato „in langen Jahren gereifte persönliche Wertschätzung“, warf ihm aber vor, sich zum „nützlichen Idioten der Kommunisten“ D`Alemas machen zu lassen.

Berlusconis Wertschätzung kommt nicht von ungefähr. Der Schatzminister ficht seit Jahren für eine kirchenfreundliche Familienpolitik, und er steht für Schnitte ins soziale Netz. In den vergangenen Wochen erst machte er sich dafür stark, die nächste Rentenreformrunde schon auf dieses Jahr vorzuziehen. Das Kalkül, das die Koalition mit Amatos Benennung verfolgt, liegt deshalb auf der Hand: Sie will Berlusconi die katholisch-konservative Wählerschaft streitig machen. Ein Kalkül, das sich als fatal erweisen könnte, selbst wenn der eine oder andere Zugewinn in der Mitte gelingen sollte. Denn Amato ist nicht nur in der linken Wählerschaft höchst unpopulär – einer Wählerschaft, die schon in den letzten Urnengängen ihrer Enttäuschung durch wachsende Wahlenthaltung Ausdruck gab. Amato stößt auch bei der radikalen Linken, bei der für 6 bis 8 Prozent immer guten Rifondazione Comunista auf strikte Ablehnung. Die Kommunisten aber brauchen das Mitte-Links-Bündnis unbedingt, wenn sie sich bei den spätestens im Jahr 2001 anstehenden Wahlen auch nur minimale Chancen ausrechnen wollen, Berlusconis Rechte zu schlagen. MICHAEL BRAUN

portrait SEITE 11