ARMES DEUTSCHLAND
: Roter Teppich für Green-Card-Inder

Er rief Ausländer, und kaum welche kommen. Die Green- Card-Initiative von Kanzler Gerhard Schröder droht ein Flop zu werden. 46 Computerspezialisten aus Indien reagierten bislang auf Schröders Billig-Offerte: Drei Jahre schuften und dann raus! Die bittere Lektion ist: Der Marktwert der Republik ist gefallen.

Als Deutschland in den Sechzigerjahren Türken, Spanier und Italiener an die Fließbänder bat, kamen Millionen. Vom Bauer zum Industriearbeiter – das war ein Karrieresprung. Für den Glanz und die Kraft der D-Mark nahmen die Wanderarbeiter viel in Kauf: verschlossene Deutsche, schlechtes Essen, Einjahresverträge und mieses Wetter. Die alten Zeiten sind dahin. Die D-Mark gibt es bald nicht mehr. Und die Deutschen müssen sich von einer Gewissheit verabschieden: Nicht jeder Ausländer will in ihr Land, schon gar nicht um jeden Preis.

46 Inder. Das kratzt am Selbstwertgefühl. Und es offenbart das ganze Ausmaß der Arroganz, mit der Schröder sein Angebot herablassend Richtung Indien und Osteuropa ausgesprochen hat. Die Regierung legt nun verschämt und vorsichtig nach: Fünf Jahre Aufenthalt statt drei, mit Familie, und ein Recht auf Arbeitsplatzwechsel bietet man nun. Mal sehen, ob’s reicht.

Im Zeitalter konkurrierender und globalisierter Arbeitsmärkte muss man mehr im Angebot haben als Schwarzbrot. Das wusste schon die russische Zarin, Katharina II. im 18. Jahrhundert. Als sie für neu eroberte Gebiete pfiffige Bauern benötigte, suchte sie in Westeuropa nach dem geeigneten Personal. Aber Frankreich, England und Spanien zeigten ihr die kalte Schulter. Sie brauchten ihre Spezialisten selbst zur Kolonisation der überseeischen Gebiete. Also bot Katharina II. den Deutschen vieles: unbefristetes Aufenthaltsrecht, Land, das Recht auf die Familie, auf eigene Schulen, auf die eigene Verwaltung und Sprache. Sie bekam schließlich, was sie wollte.

Bisher waren restriktive ausländerrechtliche Bestimmungen in Deutschland vor allem unter humanitären Gesichtspunkten ein Ärgernis. Im 21. Jahrhundert werden sie zum Hemmschuh ökonomischer Entwicklung. Nicht ein Einwanderungsbegrenzungsgesetz muss man für die weltweit umworbenen Arbeitsnomaden der dritten industriellen Revolution bereit halten, sondern den roten Teppich. Denn sie wissen: Ein besseres Leben als in Deutschland finden wir allemal.

EBERHARD SEIDEL

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