Prinz Trauerkloß auf Brautschau

Die Regisseurin Kerstin Holdt hat die Oper „Die Liebe zu den drei Orangen“ in Oldenburg ziemlich ernst genommen. Trotzdem ist ein unterhaltsamer Abend dabei herausgekommen. Wie das geht, verrät  ■ Ute Schalz-Laurenze

Zwar hat der Prinz seine der Orange entsprungene Prinzessin Ninetta nach abenteuerlichen Wegen endlich im Arm. Aber seinem traurigen Gesicht ist anzusehen, dass sie das ersehnte Glück nicht zu sein scheint. Er ahnt es wohl, dass auch diese Beziehung der Familienehre und der Staatsräson einverleibt wird. Das hat ihn schon einmal so krank gemacht, dass ihm das Lachen endgültig vergangen war: „Hypochondrische Depression“, hatten immer neu zugezogene Ärzte diagnostiziert. Des Prinzen Unfähigkeit zu lachen ist der Beginn der Oper von Serge Prokofieff, die er nach einem Sujet von Carlo Gozzi 1921 in und vor allem für Amerika schrieb. Dabei mischen sich in dem Märchen von Gozzi orientalische Motive mit den Elementen der Commedia dell'Arte. Das Ergebnis ist weniger ein Märchen als eine absurde und traumhafte Geschichte, die jetzt im Staatstheater Oldenburg in einer Inszenierung von Kerstin Holdt Premiere hatte.

Die junge Ulmer Regisseurin macht es sich in ihrer sechsten Inszenierung nicht leicht. Es sind mit dem Ergebnis einer geradezu faszinierenden Unlogik drei ineinander verwobene Handlungen zu bewältigen: die mit den Personen aus dem Märchen mit dem König, dem Prinzen und Truffaldino, die der unterirdischen Mächte mit dem Zauberer Tschelio und der Hexe Fata Morgana und dann schließlich die ständig anwesenden Ästhetikplauderer. Sie sind Archetypen bürgerlicher Bühnenzuschauer. Sie räsonieren darüber, was nach ihrem Geschmack das Spektakel eigentlich bieten soll. Sie greifen allerdings auch in die Handlung ein.

Holdt nimmt die Figuren ernst, sie lässt sich nicht dazu verleiten, sie parodistisch zu präsentieren. Ganz besonders das Vater-Sohn-Problem ist überzeugend herausgearbeitet: Alois Riedel als beklagenswerter zarter Prinz von bezaubernder weißer Langbeinigkeit setzt auch sängerisch anrührende Akzente. Er erscheint als das verwöhnte Söhnchen, das vollkommen erstarrt ist, weil es alles hat und nicht erwachsen werden kann. Sein Vater-Gegner König Treff ist bei Fritz Vitu zuverlässig, wenn auch manchmal leicht klamottig aufgehoben. Und Patrick Busert riss sich als Truffaldino alle Beine erfolglos aus, um den armen Prinzen zum Lachen zu bringen.

Das Intrigantenpaar Clarissa (gleißend-frech Alexia Basile) und Leander (schleimig Bernhard Lyon) – sie in schwarzen Lackhosen, er im schwarzen Anzug – wirkten wie aus Chicago importiert und zeigten mit ihrer Helferin Smeraldina (Anja Burkhardt) durchaus etwas vom Übel politischen Intrigantentums. Tschelio und Fata Morgana: Da ließ Holdt mit zauberischen Blitzen die Märchenwelt heraus. Wild fummelte Henry Kiichli gegen seine naiv und lautstark auftrumpfende Gegnerin Marcia Parks, sozusagen die gute alte Theatermagie, „die niemand täuscht“. Gleichwohl ist es ja Fata Morgana, die den Prinzen verdammt, nach den drei Orangen zu suchen, nämlich nach dem Symbol für ein erfülltes Leben. Auch dem Bühnenbild ist alle Märchenhaftigkeit genommen: Joachim Griep baute klare geometrische Podeste und Wände, in deren Kargheit die Betonung von den drei Farben Rot-Weiß-Schwarz umso stärker wirkte.

Der Dirigent Reinhard Seifried bot für seine letzte Oldenburger Einstudierung alles auf: Die knifflige Musik mit ihren rhythmischen, funktions-harmoischen bi- und atonalen Kniffen wirkte so beschwingt und leicht, wie Prokofieff sie für die amerikanischen Ohren der zwanziger Jahre konzipierte. Er traf die ironischen Delikatessen genauso wie sensible Stimmungsklangfarben und die briobetonte Wucht, die häufig direkt plastisch wirkt. Ein Sonderlob auch den streitenden, musikalisch aber gleichwertigen Chorgruppen. Ein unterhaltsamer Abend.

Aufführungen am 12. Mai um 19.30 Uhr und am 28. Mai um 15 Uhr im Oldenburgischen Staatstheater; Kontakt Tel.: 0441/22 25 0