Abgeklärt romantisch

Der Soul des weißen Mannes, mal liebevoll kopiert, mal satirisch umgesetzt: Das aus Waltrop stammende Jim Wayne Swingtett spielt heute im Bastard

Es war nicht zu erwarten, dass man sich über Banjo und Mundharmonika mal wieder so würde freuen können. Und auch die Ukulele macht plötzlich schwer was her. Das Jim Wayne Swingtett aber kommt nicht aus Tucson, Arizona, und schon gar nicht aus Hawaii, der Heimat der Ukulele, sondern aus dem tiefsten Ruhrpott, aus dem schönen Waltrop.

Dabei schwankt das nicht mehr ganz junge Quartett, das zuvor reichlich Erfahrung in verschiedenen Rock-Combos sammelte, zwischen liebevoller Kopie und leicht satirischer Umsetzung. Manchmal wimmert die Slide-Gitarre so verträumt und romantisch, als sei der Blick aus dem Mietwagen, der die Route 66 hinunterrollt, tatsächlich authentisch. Dann wird sogar ein Liedanfang wie „Oh sweet mama“ wieder möglich.

Ein anderes Mal wiederum wird der deutsche Akzent demonstrativ zur Schau gestellt. Und mancher Song ist nicht länger als eine Minute, will heißen: Man soll eine gute Idee nicht totreiten. Bestes Beispiel: „Sunday Girl“ ist genau eine Minute und sieben Sekunden lang und wurde weder komponiert noch geübt, sondern nur ein einziges Mal gespielt und dabei gleich aufgenommen.

Ein Foto im Booklet ihres Debut-Albums „Western Star Games“ setzt die Koordinaten fest: Links rührt der Schlagzeuger mit den Besen und trägt dabei ein T-Shirt der 13th Floor Elevators, rechts rennt ein Kind vorbei. Dazwischen wird unter Bäumen geraucht und geklampft und ein Kasten Bier bewacht. Dass diese Platte in Wohnzimmer, Übungsraum und Keller aufgenommen wurde, manches davon nur auf zwei Spuren, dass nie mehr als acht Spuren zur Verfügung standen, all das hört man zwar nur selten. Doch es illustriert die konsequente Low-Fi-Herangehensweise, die die atmosphärische Qualität der Songs in den Vordergrund rückt. Nur selten allerdings ergeht man sich in den Rückkopplungsexperimenten, die Low-Fi-Pioniere wie Sebadoh so gerne benutzen, um ihre Distanz zu den adaptierten Genres zu verdeutlichen.

Symptomatischer ist es da, dass Tonya Lamm und Shawn Barton von Hazeldine bei einem gemeinsamen Auftritt das Jim Wayne Swingtett als Brüder im Geiste erkannten. Denn auch für Hazeldine ist Country noch eine relativ ungebrochene Musik, ist noch ganz altmodisch der Soul des weißen Mannes, und darf ruhig wohl und wohliger klingen. Prompt sangen Barton und Lamm den Background auf zwei Songs von „Western Star Games“.

Vielleicht ist es ja die räumliche Entfernung zu den Vorbildern, die einen respektlosen Umgang möglich macht. Vielleicht hat uns aber auch der US-amerikanische Kulturimperialismus einen Gefallen getan und endlich die heimische Volksmusiktradition mit Country, Skiffle und Hillbilly ersetzt. Wie auch immer: Schon lange klang Musik aus zweiter Hand nicht mehr so unbeschwert und unbelastet, so romantisch und gleichzeitig so abgeklärt. THOMAS WINKLER

Heute, 22.30 Uhr, Bastard im Prater, Kastanienallee 7 – 9, Prenzlauer Berg