Wartezimmer des Himmels

Heiner Bertram, der Präsident des 1. FC Union Berlin, über zukünftige Derbys mit Tennis Borussia und Hertha BSC Berlin, über den Sponsor Kinowelt AG und den besonderen Status des Ostvereins

Interview MARKUS VÖLKER

taz: Freuen Sie sich in der kommenden Saison schon auf ein Lokalderby mit TeBe Berlin?

Heiner Bertram: Ja, sehr. Das sind immer besondere Spiele in der Stadt, zumal wir hier einen Verein verkörpern wollen, der für das gesamte Berlin zuständig ist. Und das kann wohl Tennis Borussia von sich nicht behaupten.

Sie sind gedanklich schon in der zweiten Liga?

Ja, zum Teil. Wir bereiten uns darauf vor, damit wir beim Aufstieg nicht bei null anfangen müssen.

Union ist noch die Nummer drei in der Stadt. Wird sich das in naher Zukunft verändern?

Ich denke schon, wir sind ein Verein mit besonderem Fanstatus. Darauf bauen wir. Das ist ein großer Teil des Erfolgs von Union. Aber wir müssen darauf hinarbeiten, dass wir Zuschauer aus ganz Berlin anlocken können. Sonst kann sich der Verein nicht entwickeln.

Woher sollen die kommen?

Fangruppen aus dem Berliner Umfeld, die sehr stark zu Hertha tendieren, sind bereits zu uns gekommen. Das hat mich überrascht. Ich dachte, die Leute wären sehr stark gebunden. Und in Berlin selbst haben wir natürlich noch ein Riesenpotenzial. Vor allem im Westen. Da werden wir ja zum Teil heute noch verwechselt mit dem BFC Dynamo.

Dabei beruft sich Union auf einen unverwechselbaren Kultstatus.

Richtig. Der rührt ja daher, dass die Fans über mehr als 30 Jahre im Ostteil der Stadt einen Verein gefunden haben, den sie als sportliche Heimat empfinden. Mit dem sie sich identifizieren konnten. Das ging bei anderen Klubs nicht so.

Zehrt der Verein vom quasioppositionellen Image während der DDR-Zeit?

Ja, wobei das gar nicht Opposition war, sondern eine Nische.

Ist der FC Union ein Wendegewinner?

Langfristig gesehen, ja.

Sie haben jüngst vom DFB die Lizenz erhalten.

Wir hatten alles einwandfrei vorbereitet. Die wirtschaftliche Basis bei Union ist exzellent.

Was heißt exzellent?

Unser Budget für die dritte Liga von 11 Millionen Mark und für die zweite Liga mit 13,5 Millionen Mark ist abgesichert, auch die Personal- und die Kostenplanung.

Keine Wehmut dabei, wenn sie die so genannte Nostalgie-Liga verlassen müssen?

Überhaupt nicht. Die Regionalliga Nordost ist sehr stark. Sie ist in der Tat die alte DDR-Oberliga. Wir haben wunderbare Duelle gehabt. Und haben sie noch.

Wie ist Ihr Verhältnis zum Chef der Kinowelt AG, Dr. Michael Kölmel, Ihrem Mäzen?

Das Verhältnis ist von großem Vertrauen geprägt. Von der ersten Stunde an. Wir haben uns am 14. Januar 1998 kennen gelernt. Wir waren der erste Verein, mit dem er sich beschäftigt hat. Wir haben großen Wert darauf gelegt, dieses Vertrauen niemals zu enttäuschen. Das ist uns bisher gelungen.

Wie das?

Ich habe ihm damals gesagt, er wird Enttäuschungen in der Fußballbranche hinnehmen müssen, in der bekanntlich die eine oder andere Eitelkeit ausgelebt wird. Nicht aber bei Union.

Warum ist Kinowelt zuerst auf Union aufmerksam geworden?

Union war nicht seine erste Idee, wohl aber der erste Kontakt. Wir dürfen also für uns in Anspruch nehmen, dass wir ihm in den ersten Gesprächen das Vertrauen vermittelt haben, das ihn bewogen hat, hier zu beginnen. Wir waren zuvor ja in großen Nöten.

Wie funktioniert die Subventionierung durch Kinowelt?

Das sind Darlehen, die dann zurückgezahlt werden, wenn der Verein wirtschaftlich auf eigenen Füßen steht. Das ist nur möglich in der zweiten Liga oder in der ersten. Darüber hinaus hat Kinowelt die Möglichkeit, über die Vermarktungsrechte mitzuverdienen.

Eine Frage, die beim multiplen Engagement von Kinowelt in der Regionalliga Nordost immer wieder auftaucht, ist die nach der Wettbewerbsverzerrung.

Das kann es meines Erachtens nicht geben, und wenn, dann nur ein einziges Mal. Dann wäre nämlich der betreffende Verein fertig – mit der Kinowelt und dem DFB.

Sind die Fans versöhnt mit der Verbindung Union-Kinowelt?

Die Fans kennen das. Die Alternative war Konkurs. Wir haben diesen Verein nicht verkauft, sondern Verträge ausgehandelt, die den Verein in die Lage versetzen, sollte das Engagement der Kinowelt nicht mehr relevant sein, auf eigenen Beinen zu stehen. Wir können die Rechte zurückkaufen. Kinowelt kann ohne einen aktiven 1. FC Union ihre Investitionen nicht verzinsen, wir ohne sie nicht existieren.

Was hat sich im Gegensatz zu jener Zeit vor der Konsolidierung beim Verein verändert?

Das kann man gar nicht plakativ genug schildern. Wir kommen aus der Hölle und befinden uns im Moment im Wartezimmer des Himmels. Eine veraltete, chaotische, verkrustete Vereinssituation von 1997 hat sich aufgelöst und ist übergegangen in einen modernen Verein mit hoch motivierten Mitarbeitern.

Streben Sie in der zweiten Liga einen Mittelfeldrang an oder geht es zunächst gegen den Abstieg?

Wenn wir in der zweiten Bundesliga sind, wollen wir dort unsere Position erst mal kennen lernen. Wir wissen gar nicht, wo wir stehen. Dann können wir weiter planen. Langfristiges strategisches Ziel ist die erste Liga.

Wie fällt Ihr Vergleich mit Hertha aus?

Ich schaue mir Hertha aus der Distanz an. Ein Urteil über die Vereinsführung steht mir nicht zu, da sind wir viel zu klein dafür. Wir spielen eine Nummer kleiner, aber diese Rolle relativ perfekt.

Dient Hertha als Vorbild?

Nein, überhaupt nicht. Wir haben unseren eigenen Stil. Wir wissen genau, wie wir arbeiten müssen.

Wie?

Ich sage nur Leanmanagement und kurze Entscheidungswege. Es gibt wöchentliche Gespräche mit allen Mitarbeitern, die noch alle an einen runden Tisch passen. Das ist moderne Unternehmens- und Vereinsführung. Es geht nicht mehr mit dem alten Funktionärstum.

Das Stadion in der Wuhlheide gilt als nicht zweitligatauglich!

Die Inspektion durch den DFB verlief positiv. Wir können dort spielen mit Ausnahmegenehmigung. Es liegt ein Bauantrag vor. Geplant ist ein Dach für die Tribüne, Flutlichtanlage und diverse Sicherheitsmaßnahmen.

Sie wollen nicht in den Jahnsportpark übersiedeln?

Nein. Dann würde es in Berlin einen mittleren Volksaufstand geben.