herr hefele kriegt eine minute
: ALBERT HEFELE über expressive Poesie bei der Morgentoilette

MIT VOLLER SPREIZUNG

Darf man das? Den Leser in seine Produktion einbinden? Ich habe lange mit mir gerungen – doch was soll’s ... im Zeitalter interaktiver Prozesse – warum eigentlich nicht? Vielleicht werde ich noch mal als Pionier gefeiert. Also: Es geht um Folgendes. In meinem Bad, auf der Heizung, liegt ein gelber Waschlappen mit der Aufschrift BVB 09. Es ist ein Fanwaschlappen, wie Sie unschwer nachvollziehen können. Ich dachte mir, es sei eine gute Idee, über dieses alltägliche Indiz meiner Verbundenheit mit einem Fußballverein ein Gedicht zu schreiben. Anhand eines schrumpeligen Lappens ein hoch emotionales, hoch komplexes Thema zu bearbeiten. Alle Großen haben das so gemacht (siehe auch: „Mutters Hände“ von Tucholsky).

Ich möchte nun Sie – Leser – teilhaben lassen an der Entstehung dieses Werkes. Ihnen die Möglichkeit bieten zu redigieren, gar als Co-Autoren aktiv zu werden. Mögen Sie? Jedenfalls: Es geht los, und die Überschrift heißt: „Mein schwarz-gelber Waschlappen auf der Heizung“. Wie finden Sie das? Ich finde das sehr gelungen. Von melancholischer Schlichtheit, wenn Sie so wollen. Sehen wir nicht alle den Waschlappen da liegen? Schwarz-gelb auf der Heizung? Schön, gell? Und weiter – die ersten beiden Strophen:

Jeden Morgen bei dem Spiegel, Seh ich aus den Augenwinkeln – Gelb und schwarz den Lappen blinken ... Und mein morgentrübes Auge – Kehrt sich zu der Seifenlauge. Doch es geht nicht, Wie ich mir das denke – Wie ich auch den Hals verrenke ... Vehement den Bart zu schaben – Eifrig Zahnschmelz abzutragen ...

Na? Ja, ich weiß. Zwei sehr prosaische Strophen. Die Situation vor dem Spiegel, im Bad mit nüchternem Blick zeichnend. Nicht so toll? Könnte mehr Fahrt vertragen? Sie haben leicht reden ... Meine Güte, schließlich kommen noch zwei Strophen ... hören Sie doch erst mal zu!

Von der Heizung nämlich ruft der Lappen, Lodert hell wie ein Fanal – Bevaubee heißt meine Qual ... Niemand hört mich sachte klagen. Ofen aus! Mir platzt der Kragen! Und ich reiß den Lappen, Von der Heizung – Schrubbe mir bei voller Spreizung ... Unterleib plus dem Geschlecht – Bevaubee geschieht dir recht!

Und nun? Da sind Sie baff! Ist das Tempo genug? Gerade der Schluss – „BVB – geschieht dir recht?“ Wie bitte? Zu vulgär – zu plump? ...Wohl noch nie was von expressivem Ausdruck gehört? Und was bitte ist mit „niemand hört mein sachtes Klagen“? „Sachte“ nicht etwa „leise“... zu plump? Das ist Poesie!

Na gut, ich seh schon, da meinen einige, sie könnten es besser. Dann mal los, dann lasst mal hören ...Die Redaktion startet testweise:Kreist der Lappen weg vom Po,so –wird der Lattek auch nicht froh ...

Autorenhinweis:Albert Hefele, 48, ist Ergotherapeut und schreibt über die fundamentalen Dinge des sportlichen Lebens.Heute: Ein alter Fanwaschlappen