Ein Streit um die Wahrheit der Bilder

Klarer Beweis für „Castro-Methoden“ oder einfach plumpe Fälschung? Das AP-Foto und der Bilderstreit

WASHINGTON taz/dpa ■ In den amerikanischen Medien wird inzwischen nicht nur über die Aktion gestritten, mit der Elián González im Morgengrauen des Ostersamstags aus dem Haus seines Großonkels geholt wurde. Ebenso heftig wird über das Bild diskutiert, das der Fotograf Alan Diaz von AP davon gemacht hat (siehe Foto und nebenstehenden Bericht). Nicht nur die Exilkubaner sind aufgebracht über die angeblich brutalen Methoden, mit denen das unschuldige Kind aus den Armen seines Retters gerissen wurde. Methoden, die das Foto zu dokumentieren scheint.

Doch die US-Regierung wiegelt ab: „Das Gewehr ist nicht auf das Kind gerichtet, und der Finger ist nicht am Abzug“, kommentierte Justizministerin Janet Reno das umstrittene Bild. Und Eliáns Kusine Marisleysis hält das Foto sogar für eine bösartige Fälschung: „Die Haare sind viel zu lang, das Bild ist montiert oder gestellt“, sagt sie zu dem Foto, das am Ostersonntag auf allen Fernsehkanälen zu sehen war. Es war das einzige Bildmaterial zu dem Vorfall, da ein Kameramann des Fernsehsenders NBC, der die Szene filmen wollte, von einem Sondereinsatzbeamten zu Boden geschlagen und am Filmen gehindert worden war.

Das AP-Bild zeigt einen US-Marshall, einen Bundespolizisten, der im Häuserkampf ausgebildet ist. Jeder Kinogänger hat solche Bilder von Drogenrazzien in Wohnungen schon gesehen. Es zeigt auch, dass Bundespolizei bewaffnet in einer Situation vorging, in der Waffen vielleicht nicht nötig gewesen wären. Was es nicht zeigt, ist, dass nicht der bewaffnete Beamte, sondern eine unbewaffnete Beamtin das Kind aus den Armen Dalrymples nimmt.

Was das Bild auch nicht zeigt, zeigen einige Stunden später Fernsehbilder eines Kameramanns, der in das Haus der González gelassen wurde – klugerweise zu akkurat dem Zeitpunkt, da Janet Reno ihre Pressekonferenz angesetzt hatte: Die Gonzalez wissen, wie man die Medien einsetzt. Hier sieht man eine Zweizimmerwohnung, in der seit Tagen ein halbes Dutzend Menschen kampiert, eine Küche, in der seit Wochen nicht gekocht worden sein kann, weil sie mit Akten voll gestellt und zur Kommandozentrale eines politischen Tauziehens geworden ist. Es zeigt eine Gruppe von Menschen, die monatelang in einem Ausnahme- und Belagerungszustand gelebt haben, es zeigt letztlich die Wohnung von Entführern.

Das Bild vom bewaffneten Bundespolizisten aber wird auf alle Zeiten die Unverhältnismäßigkeit der Mittel ins öffentliche Bewusstsein einbrennen, mit der das Kind befreit wurde.

Die politische Berichterstattung kam wieder mächtig in Schwung: New Yorks Bürgermeister Rudy Giuliani, sonst eher als Vertreter einer harten Linie bekannt, sprach von einem Sturmtruppeneinsatz. Andere Republikaner nannten das Foto einen Beweis dafür, dass die Regierung Clinton Methoden Castros anwende.

Die nächste Runde im „Bilderkrieg“ eröffnet der Anwalt von Eliáns Vater, Greg Craig. Er veröffentlichte mit einer Wegwerfkamera aufgenommene Fotos, die ebenfalls sofort um die Welt gingen und einen glücklich strahlenden Elián im Arm seines Vaters zeigten. TAUT