Stadtteilfieber: 35

Mümmelmannsberg ist das doch egal, ob Manu endlich draußen ist oder nicht  ■ Von Peter Ahrens

Vom Regen in die Traufe: Erst Wohncontainer Hürth, jetzt wieder Wohncontainer Mümmelmannsberg. Manu ist draußen aus dem Big-Brother-Haus, Freund Douglas kann sich wieder bekochen lassen, bekommt wieder seine Lasagne – eine Woche vielleicht noch Trubel, dann ist das auch vorbei: Manuela S. aus der Großen Holl in Mümmelmannsberg war 54 Tage lang ein Fernsehstar (Schlampe, Zicke, falsche Schlange). Das Stadtviertel lässt das kalt.

Wo sind die AnhängerInnen, wo die Sprechchöre? Die Bild verspricht: „In Hamburg haben jede Menge Fans die schöne Manu ins Herz geschlossen.“ Kein Wort wahr (Manu muss weg). Vor der Wohnung kein Blumenkorso, kein Salut, nicht einmal fliegende Eier (Manu raus). Stattdessen nur Mümmelmannsberg pur: Eine apfelsinenfarbene Gesamtschule, ein Riesenparkhaus (mit Selbsttanken), 362 Autos auf 1000 EinwohnerInnen, 17,9 Prozent Sozialwohnungen, Männer im Unterhemd auf dem Balkon, hier tragen die Rehpinscher kleine Jäckchen, wenn sie mal unbarmherzig vor die Tür gejagt werden. Vorstadt-Klischees, zum Leben erweckt.

Dieser Stadtteil hat jetzt einen Star, und keiner merkts. Auf dem Klingelschild der gemeinsamen Wohnung (zwei Zimmer, zweiter Stock, zwei Tigerkatzen Susi und Nicki, ein Wirtschaftsinormatiker, eine Jurastudentin, Fenster auf Klapp) steht nur der Name des Freundes. Ist denn hier niemand, der wahrnimmt, dass Mümmelmannsberg eine würdige Vertreterin (Was sie nervt: Langsame Kassiererinnen) im deutschen Fernsehen hatte? Die Kassiererinnen im nahen Supermarkt kassieren eigentlich normal schnell. „Manu? Diese furchtbare Frau aus Big Brother? Ach, die wohnt hier? Ist ja interessant“ – scheint offenbar niemandem groß aufgefallen zu sein. Manu, die Unscheinbare? Na, na, sie hat doch schon bei der Kerner-Show gekellnert und im Oktober 98 in der Bild „für die Serie Hamburgs schöne, freche Kellnerinnen viiiel Haut gezeigt“.

Trotzdem geht das Leben in Mümmelmannsberg einfach so weiter. Als wäre nichts geschehen, als ob es die Tränen im Sprechzimmer („Einmal im Leben mit nem Neger“), die „Freundschaft fürs Leben“ (Beidseitig versprochen, wird auch nicht gebrochen), die „tiefgehenden Gespräche“ mit Alex (beliebiges Schimpfwort einfügen), als ob es all das nicht gegeben hätte. Als ob die Appelle von Freund Douglas (“RTL2 ekelt meine Manu raus“) in den Wind gesprochen worden wären. In Mümmelmannsberg betexten die jungen Kerls weiterhin ungerührt ihre Handys, schrauben an ihren Motorrädern herum, werfen Ostermontag den Grill an. Mümmelmannsberg trägt keine Trauer. Voll krass.

Kommt Manu heute, kommt sie morgen? Achselzucken allerorten, man vermisst sie wie die Hölle. Das Big Brother-Fieber, ausgerechnet an Manus Heimstätte ist es vorbei gegangen – dabei hängen doch hier überall Satellitenschüsseln an der Hauswand, nach der Empfangsrichtung ausgerichtet wie Moslemgräber Richtung Mekka.

Völlig vergebliche Big Brother-Spurensuche. Nicht ganz. Auf dem Spielplatz an der Großen Holl hängen drei Kinder herum. Eins ruft ganz unvermittelt: „Sladdi.“