village voice
: Neues von Terrorgruppe und der Bolschewistischen Kurkapelle

ZWEI WELTEN, EIN STILLSTAND

Ganz unterschiedlich machen sowohl die Bolschewistische Kurkapelle Schwarz-Rot als auch die Terrorgruppe auf ihren neuen Alben dasselbe: Sie bewahren das Untergegangene. Die Terrorgruppe mit Punkrock, Kreuzberg, Bier saufen und irgendwie provokant sein. Die Bolschewistische Kurkapelle mit Liedgut, Prenzlauer Berg, Weißweinschorle saufen und irgendwie gegen die da oben sein. Hoffnungslos sind beide Ansätze: Da können die vier von der Terrorgruppe noch so lange ihre Pimmel auf dem Pressefoto aus der Hose hängen lassen, aufregen mag sich darüber niemand mehr. Bei der Kurkapelle dagegen fragt man sich, wohin es führen soll, Janis-Joplin- und Eisler-Klassiker als Bierzeltblasmusikmedley wegzududeln: In einer Zeit, in der die Crossover der Früh-90er wieder recycled werden, fügt sich das ohne große Widersprüche in die allumfassende Globalvillagisierung auf dem niedrigsten gemeinsamen Niveau.

Die Bolschewistische Kurkapelle aber sieht sich auch auf ihrem zweiten Album „Tänze“ in einer Tradition stehen, aus der auch die Zusammenarbeit der Ostrocker Pankow mit dem Orchester der Sowjetischen Streitkräfte entstand. Doch während die Sowjets eine ziemlich flotte Tröte spielen konnten, sind die Versionen der Kurkapelle von Songs wie „Smells Like Teen Spirit“ oder „My Generation“ vor allem gefällig einschmeichelnd. Das liegt zum guten Teil auch an Abmischung und Arrangements. Denn trotz einer teilweise zweistelligen Besetzung hat die Kurkapelle Probleme, mit einer durchschnittlichen Ska-Bläsersektion mitzuhalten. Es ist zwar noch weit vom Weichspül eines James Last entfernt, aber es bleibt doch Easy Listening. Das muss ja nichts Schlechtes sein, aber der stärkste Moment ist eher ein länglicher Witz wie „Der Fuehrer's Face“. Der hört sich an, als würde die Augsburger Puppenkiste mit einem halben Jahr Volkshochschul-Englisch Nazi-Propaganda machen.

Auch die Terrorgruppe müht sich auf „1 World - 0 Future“ tapfer um die Revolution. Als wollte sie den Ausverkaufsvorwürfen begegnen, die nach der poppiger geratenen Vorgängerplatte „Keiner hilft euch“ aus der Kreuzberger Nachbarschaft kamen, beginnt das neue Werk mit klassischem Hoppelpunk, der zwar noch lange nichts von Hardcore gehört hat, gerne aber die Toten Hosen in den Arsch treten möchte. Hintereinander weg werden beschimpft: die Spießer, die Amis, das Fernsehen, die Esoteriker, die Bundeswehr, der Deutsche, der Raver und die Ex-Freundin.

Um diese Platte aufzunehmen sind die vier Jungs von der Terrorgruppe bis nach Alicante gefahren. Dort haben viele deutsche Rentner ihre Altersvorsorge in einem blitzend weißen Häuschen angelegt und lesen die Costa Blanca Nachrichten. Demnächst bringen dort Kreuzberger Punks wohl ihre Sozialhilfe durch. Doch, das ist ja dann doch auch politisch, irgendwie.

THOMAS WINKLER

Terrorgruppe: „1 World – 0 Future“ (Epitaph); Bolschewistische Kurkapelle Schwarz-Rot: „Tänze“ (Plattenmeister/Der Verlag)