Gags und Kerngeschäft

Der Kinoverleiher „Kinowelt“ will zum Medienkonzern werden – und vor allem in den deutschen Fernsehmarkt. Da kann man viele schöne Filme zeigen. Oder Fußball live ins Kino übertragen

von KONRAD LISCHKA

Firmengründer Michael Kölmel nährt immer wieder Spekulationen über alles Mögliche: Kinowelt-Fernsehen, Kinowelt-Fußball, Kinowelt-Internet.

Für einen Mathematiker ist Michael Kölmel ingesamt recht spaßig. Muss er auch sein als Gründer, Hauptaktionär und Vorstandsmitglied des Filmverleihers und Rechtehändlers Kinowelt Medien AG – Aktionäre und Analysten wollen bei Laune gehalten werden. Kölmels beste Schote in letzter Zeit: Kinowelt werde zum Medienkonzern wachsen, etwa dadurch, dass man Fußballbundesliga-Spiele live auf Kinoleinwände projiziere.

Seit Anfang des Jahres bringt Kölmel mit solcherlei Knallern die Analysten zu Kaufempfehlungen und sein Unternehmen in die Zeitungen: Kinowelt will tm3 übernehmen, Kinowelt will einen eigenen Fernsehsender gründen, Kinowelt will ein Internetportal machen, Kinowelt will die Fußballbundesliga-Rechte.

Eins ist sicher: Kinowelt will vor allem in den deutschen Fernsehmarkt. Und das nicht allein als Vermarkter von Filmsenderechten. Damit ist das 1984 mit 8.000 Mark Startkapital von den Kölmel-Brüdern Michael und Rainer gegründete Unternehmen bisher groß geworden. Auch 1999 brachte das Kerngeschäft 42 Prozent der 382,2 Millionen Mark Jahresumsatz. Kinowelt verleiht und vermarktet unter anderem Produktionen der US-Studios Warner Brothers und Miramax („Scream“, „Der englische Patient“). Aber Kinowelt soll „entlang der gesamten Wertschöpfungskette Film“ wachsen, wie Finanzvorstand Eduard Unzeitig oft und gern erklärt. Das heißt erstens Produktion – allein in diesem Jahr übernahm Kinowelt zur Hälfte die „Trickfilm Corporation Munich“ und zu 26 Prozent den TV-Movie-Produzenten Trebitsch-Gruppe. Und zweitens Verwertung – zu Kinowelt gehören die Videolabel Arthaus und VMP, derzeit wird mit der Cinemaxx-Gruppe verhandelt. Allein die TV-Rechte muss Kinowelt weiter an andere verscherbeln, fehlt doch ein eigener Sender. Denn der deutsche TV-Markt wird von zwei Medienkonzernen beherrscht – Kirch und Bertelsmann, dazu kommt der öffentlich-rechtliche Block.

Ein dritte private Kraft hätte es auf dem deutschen Privatfernseh-Markt schwer – obwohl Kinowelt immerhin schon eine der dafür nötigen Voraussetzungen erfüllt. Filme: Zu Kinowelt gehören die Drefa, Arthaus, der Filmverlag der Autoren, der Jugendfilm Verleih, Rialto, zur Hälfte der Progress-Verleih und damit alle Produktionen der DDR-Defa. Insgesamt kommen so 10.000 Filme und 600 Stunden TV-Serien zusammen. 1999 kaufte das Unternehmen dann noch für 560 Millionen Mark ein Filmpaket von Warner Brothers mit Blockbustern wie „E-Mail für dich“. Und hier wird die Voraussetzung für einen eigenen Sender gleichzeitig auch zwingender Grund. Denn den Deal halten nicht nur Branchenbeobachter für überhöht, sondern offenbar auch ARD und ZDF, Bertelsmann und Kirch. Bisher hat Kinowelt nichts aus dem Millionenpaket weiter vermarkten können. Da können die Kinowelt-Pressesprecherinnen noch so oft betonen, „die Gründung eines eigenen Senders habe mit diesem Filmpaket nichts zu tun“ – wo sollen die Schmankerl denn versendet werden, wenn nicht in einem eigenen TV-Kanal?

An einer zweiten Voraussetzung für einen funktionierenden Fernsehsender – Sport – arbeitet Kinowelt-Kölmel Michael gerade hart. Im Sommer laufen die Verträge über die Übertragungsrechte der Ersten Liga zwischen Deutschem Fußball-Bund und den Kirch-Sendern Sat.1, DSF und Premiere World aus. Kirch soll 550 Millionen Mark pro Saison für Internet und Fernsehrechte bis 2005 geboten haben. Kölmel bietet angeblich 750 Millionen Mark pro Saison. Doch der DFB verlangt, dass Kölmel einen Sender präsentiert, der die Spiele überträgt. Vielleicht wird Kölmel seine Warner-Filme und Bundesliga-Rechte an die ARD los. Vielleicht schauen sich die Leute ja auch wirklich Fußball im Kino an.

Momentan aber läuft wohl doch alles auf auf den eigenen Sender hinaus, auch wenn etwa das Desaster tm3 zeigt, wie schwer es ist, einen solchen zu etablieren. In Deutschland sind Kabelplätze rar. Aber nur sie sichern durch ihre hohe Reichweite Marktanteile und damit Werbeerlöse. Billig wird der eigene Sender für Kinowelt nicht: Als Sendestart ist Anfang 2001 geplant. Das Unternehmen rechnet mit insgesamt 100 Millionen Mark Anlaufverlusten in den ersten drei Jahren.

Da machen Kölmels Launigkeiten über Zukunft und Internet auf einmal Sinn. Vor allem an der Auswertung der Bundesliga im Internet sei Kinowelt interessiert, meinte er – und: Der eigene Sender solle „eine Portalfunktion“ für die Internet-Aktivitäten übernehmen. Klar ist, dass das Internet in den kommenden Jahren schneller werden wird und dass es dann in Konkurrenz zum Digital-TV tritt. Alles weitere überließ der Kinowelt-Vorstand bei der Bilanzpressekonferenz der Fantasie der Aktionäre und Analysten. Die warten gespannt.

Im Mai sollen Details zum Sender folgen. Die Kölmels liefern einmal mehr spannende Unterhaltung. Und wenn irgendwann Gags à la „Fußball im Kino“ nicht mehr ziehen, können sie sich aufs Kerngeschäft konzentrieren. Auch 2000 wird Kinowelt einen Großteil des Umsatzes mit Rechtevermarktung machen – der Medienkonzern besteht halt vor allem aus Kino, nicht Welt.