Kämpfer für den Muslimstaat

Die bewaffnete Gruppe Abu Sayyaf ist die radikalste und brutalste Muslimguerilla der Philippinen. Für die Entführung der 20 Touristen aus Sipadan hat sie jetzt auch die Verantwortung übernommen

BERLIN taz ■ Die Gruppe Abu Sayyaf („Träger des Schwertes“) ist die einzige philippinische Organisation auf einer von der US-Regierung im Oktober 1997 veröffentlichten Liste von 30 Terrorgruppen aus aller Welt. Seit Beginn der 90er-Jahre macht die auf der südphilippinischen Insel Basilan und im Sulu-Archipel beheimatete islamistische Organisation mit Anschlägen und Entführungen auf sich aufmerksam, deren Opfer immer wieder Christen und Ausländer sind. Wenngleich es nicht erwiesen ist, dass Abu Sayyaf die Touristen aus Sipadan entführt hat, so wäre es eine für Abu Sayyaf typische Aktion. Andererseits gab es aber auch schon einen Fall, in denen Kriminelle ihre Geiseln Abu Sayyaf überlassen haben.

Das philippinische Militär schätzt Abu Sayyaf auf 1.000 Kämpfer mit 500 automatischen Waffen. Sie ist die kleinste und radikalste Organisation der in den Südphilippinen für einen eigenen Staat kämpfenden Muslime, die dort Moros genannt werden. Diese leisten seit Jahrhunderten Widerstand gegen die aus dem Norden vordringenden Christen, die heute 85 Prozent der Bevölkerung stellen. Weder die spanische noch die US-Kolonialmacht konnten den muslimischen Widerstand je brechen. Doch nach der Unabhängigkeit 1946 wurden die Muslime durch die Ansiedlung von Christen und die Landnahme von Agrokonzernen auch im Süden zur benachteiligten Minderheit.

Seit 1970 setzen sich die Muslime wieder zur Wehr. Ihr Widerstand gleicht einer tragischen Geschichte von Verrat, Kooptierung, Terror und Spaltung. In den letzten 30 Jahren forderte der Konflikt etwa 125.000 Tote. Hunderttausende philippinische Muslime flohen ins benachbarte Ostmalaysia, wo auch Widerstandscamps unterhalten wurden.

Friedensverträge 1976 und 1996 führten zu Spaltungen innerhalb des muslimischen Widerstands, der selbst auf verschiedene Ethnien verteilt ist. So spaltete sich nach 1976 die Moro Islamic Liberation Front (MILF) von der bis dahin führenden Moro National Liberation Front (MNLF) ab. Seit die MNLF mit der Regierung 1996 endgültig Frieden schloss, wurde die auf 30.000 Kämpfer geschätzte MILF zur führenden Kraft. Doch auch die MILF verhandelt mit der Regierung und kämpft nur selten direkt gegen das Militär, das zeitweilig bis zur Hälfte aller Soldaten im Süden des Landes stationiert hat. Manche der aus arabischen Ländern unterstützten Guerillaführer sind auch in rein kriminelle Aktivitäten verwickelt.

Der an einer katholischen Schule in Basilan und später in Saudi-Arabien und Libyen ausgebildete Geistliche Abdurajak Abubakar Janjalani formte Anfang der 90er-Jahre aus philippinischen Afghanistan-Veteranen und anderen Kämpfern Abu Sayyaf, um in seiner Heimat für einen islamischen Staat in Reinform zu kämpfen. Die Gruppe schreckt auch vor dem Terror gegen Muslime nicht zurück und geht seit 1992 so brutal und kompromisslos vor, dass manche sie für eine Erfindung des Militärs halten. Im Dezember 1998 soll der 35-jährige Janjalani bei einem Angriff des Militärs getötet worden sein. SVEN HANSEN