Haftbefehl für Reformer

Weil der iranische Geistliche Eschkevari in Berlin säkulare Prinzipien forderte, wollen die Konservativen ihn einsperren. In Teheran demonstrieren Studenten

BERLIN taz ■ Die Auseinandersetzung zwischen Konservativen und Reformern in Iran ist in eine womöglich entscheidende Phase gegangen. Vor der Konstituierung des neuen Parlaments am 27. Mai wird der Machtkampf nun offen ausgetragen. Die von konservativen Kräften dominierte iranische Justiz erließ gestern Haftbefehl gegen Jusefi Eschkevari. Der liberale islamische Geistliche hatte vor zwei Wochen an der Berliner Iran-Konferenz der Heinrich-Böll-Stiftung teilgenommen. Dabei hatte sich Eschkevari offen für eine Trennung von Staat und Religion ausgesprochen – ein revolutionärer Vorgang.

Laut Aussage des iranisch-deutschen Publizisten Bahman Nirumand soll sich Eschkevari noch in Europa aufhalten und seine Rückkehr in den Iran für die nächsten drei Wochen planen. Dann könnte ihm dasselbe Schicksal widerfahren wie Akbar Gandschi. Der populäre Enthüllungsjournalist war am Samstag wegen seiner Teilnahme an der Iran-Konferenz in das für Folter berüchtigte Teheraner Evin-Gefängnis gebracht worden.

Auf Teherans Straßen demonstrierten in der Nacht zu Dienstag tausend Studenten friedlich für Meinungsfreiheit und gegen das Verbot reformorientierter Zeitungen. „Freiheit, Freiheit, du bist ewig“, skandierten sie und „Chatami, zeige deine Macht“. Die Studenten verlangen von Staatspräsident Mohammad Chatami, dass er sich deutlicher für Meinungs- und Pressefreiheit einsetzt und stärker gegen die Konservativen um Ajatollah Ali Chamenei vorgeht. Der Präsident verteidigte in einer Rede am Montag zwar die Meinungsfreiheit, rief das iranische Volk aber auf, Ruhe zu bewahren.

Die konservative iranische Justiz hatte am Montag in der größten Zensuraktion seit der islamischen Revolution 1979 zunächst zwölf, dann insgesamt 15 reformorientierte Zeitungen und Zeitschriften ohne Gerichtsverfahren verboten. Die Zensur betrifft fast die Hälfte der iranischen Tageszeitungs-Produktion. Gestern wurde jedoch überraschend das Verbot der größten Reformzeitung Sobhe Emrus wieder aufgehoben. Begründet wurde dies damit, dass der Herausgeber, Said Hadscharian, im Krankenhaus liege. Hadscharian, der zu den wichtigsten Vertrauten Chatamis zählt, war bei einem Attentat Mitte März schwer verletzt worden. Gestern begann in Teheran der Prozess gegen die Attentäter. FLORIAN HARMS