„Vielleicht ist Musik eine Flucht“

■ Eine Stimme für Irland: Die Vorzeige-Irin Mary Black kann sich in ihren Songs besser ausdrücken als im richtigen Leben

„Wenn ich Songs schreiben könnte, die so gut sind wie die, die ich von anderen bekomme, dann würde ich sie natürlich längst schreiben“, pflegt Mary Black die Frage zu beantworten, die sie gar nicht mehr hören mag. Und dann gibt die irische Sängerin den schwarzen Peter auch gleich zurück an jene, die ihre Kunst der Interpretation mit dem Mythos des authentischen Singer/Songwriters begraben möchten. Das Problem, so Black, sei „doch aber auch, dass viele gute Songschreiber keine guten Performer sind“. Und überhaupt: „Ein Dirigent wird ja auch nicht in Frage gestellt, weil er die Oper nicht selbst geschrieben hat.“

Auf der Heimatinsel dirigiert Black längst die Massen und freut sich, dass ihre Landsleute trotz Star-Status „mein Privatleben respektieren. Amerikaner würden mich sicher anders bedrängen.“ Nach Kooperationen mit Emmylou Harris und Joan Baez ist Black auch in den USA mit seiner traditionell starken, irischen Gemeinde durchaus präsent, ihr 98er-Album Shine wurde gar von Larry Klein (Joni Mitchell, Shawn Colvin) in Los Angeles produziert. Doch war sie nie bereit, ihr Familienleben auf dem Altar der ganz großen Karriere zu opfern, in einem Geschäft, „das Dich auswringt wie ein Schwamm“ (Black).

So hat sich die Aufbruchstimmung wieder verflüchtigt. Womöglich fürchtete Black auch, die alten Fans könnten ihr ob des ausgebufften Adult-Pop-Sounds zürnen und nicht mehr ganz so treu sein, während neue in der erhofften Menge ausblieben. Aber vor allem, so sagt sie, „diese unwiderstehliche Sehnsucht nach meiner Heimat“. Und so landete sie mit dem aktuellen Werk Speaking With The Angel wieder auf der grünen Insel, selbst wenn sie sich dem traditionellen Ambiente nicht durchweg so explizit zuwendet wie im Song „I Live Not Where I Love“. Der großen Sandy Denny (Fairport Convention) erweist Black mit „Moments“ respektvoll Referenz, Neil Finns Hingabe in „Fall At Your Feet“ reduziert sie jenseits des Crowded House-Pop ganz auf ihren (ungewissen) Kern, Ron Sexsmiths „Speaking With The Angel“ schimmert ominös.

Doch leider schleichen sich auch einige Banalitäten („Message Of Love“) ins Repertoire, so dass doch irgendwie das Gefühl bleibt: Mary Black hat immer noch nicht die Platte gewagt, die sie wagen könnte. Vielleicht in der nächsten Aufbruchstimmung, die sie von der vertrauten Scholle reisst. Irgendwann. „Vielleicht“, sinnierte sie, „ist die Musik auch nur eine Flucht für mich. Denn ich kann mich in den Songs viel besser ausdrücken als im richtigen Leben.“ Wäre es anders, würde nicht nur Mary Black bald der Stoff zum Singen ausgehen.

Jörg Feyer

Di, 2. Mai, 21 Uhr, Fabrik