Die Linke ist sexy

Die Asian Dub Foundation macht eine so gute Figur, dass sie politisch selten ernst genommen wird  ■ Von Holger in't Veld

Spielen wir ein Gedankenspiel, das sich nicht erst seit Blade Runner bzw. Big Bro-ther großer Beliebtheit erfreut. Es heißt „Echt oder nicht echt“ und es geht um die Wurst bzw. die Frage nach dem Ich, dem Kern, der Identität. War Kers-tins Lachen falsch? Verachtet Stefan Raab in Wirklichkeit alle seine Fans? Was würde es ändern, wären die lauteren Ansätze, Ethik und Moral der fünf jungen Indo-Briten von Asian Dub Foundation langfristig doch von Eigennutz durchdrungen und ihr Engagement für den wegen Selbstverteidigung in einem rassistischen Angriff (mit tödlichem Ausgang) zu lebenslanger Haft verklagten Satpal Ram eine gerissene Marketing-Idee? Ihr gesamter, von Subkultur-Codes durchdrungener und dabei ebenso gut aussehender wie klingender Tanz-Protest weniger auf Veränderung denn auf Haltungs-Noten und Distinktionsgewinn aus?

Da wäre zunächst die Betroffenheitsfrage. Alle fünf sind indischer Herkunft und erfahren den Alltag in „Real Great Britain“ demzufolge immer noch anders als jeder Weiße – wie Trash und arm auch immer. Genau dies ist Titel und Thema des ersten Stücks der neuen Platte, die die neue, stolzen nationale Brit-Identität und ihrer Ausgrenzungsbestrebungen und sozialen Versäumnissen kritisiert. Wie grundlegend die Männergruppe ansetzt, stellt schon die erste Zeile „Union Jack And Union Jill“ klar. Auch „Blairful Of Thatcher“ funktioniert als Metapher für weltweite Missstände. Die Wurzel des nichtsdestotrotz vorhandenen Zweifels ist schnell entdeckt, denn sie hat eine lange, wohlgehütete Tradition.

Die Linke darf nicht sexy sein – wird der Form allzuviel Aufmerksamkeit geschenkt, kann der Protest nicht mehr ernst geommen werden. Wo kämen wir denn hin, wenn fundamentale Kritik auch noch die Lebensqualität steigern würde? Die Asian Dub Foundation macht einfach eine zu gute Figur, um inhaltlich ernst genommen zu werden. Das zugestandene Maximum an musikalisch-ästhetischer Hipness heißt Billy Bragg oder Fugazi, was auch für die Popularität gilt. Diesen Kontext zu verlassen ist nun der übergeordnete Ansatz der Asian Dub Foundation.

Sie tunken ihr sozio-politisches Engagement in Pop, nutzen einen multinationalen Konzern und tauchen überall dort auf, wo sie auch ihr umsatzgetriebener Produktmanager gerne sieht. Sie spielen lieber auf Großveranstaltungen als in besetzten Häusern, ein Informationshappen, der durch schmackhafte Ummantelung die Masse erreicht, ist ihnen mehr wert als das ewige „Call & Response“ mit dem inneren Zirkel. Die tausendste Wiederauflage des zu Recht belächelten System-von-innen-aushöhlen also, nur dass die Asian Dub Foundation gut vorbereitet in den Rachen des Löwen springt.

Community Music dieser schrecklich schöne Platten-Titel, ist erstmal nicht mehr als der Name jener privaten Londoner Bildungsorganisation, aus der die Gruppe entstammt. Bassist Dr. Das und Gitarrist Chandrasonic waren und sind dort Lehrende, Rapper/Sänger/Toaster Deedar Zaman ihr Schüler. Im Gespräch formuliert die Gruppe ihre Ansätze wie ein Pamphlet: „Unsere Aufgabe ist es, in verschiedene Orte und Strukturen hineinzugehen, um sie für alle, Asiaten, Schwarze, Frauen etc. zu öffnen und damit gegen ausgrenzende Monokulturen von Musik und Publikum anzugehen“, diktiert DJ Pandit G, der seinen Anspruch als Bürgerrechtsaktivist in Pop überführt hat. Und auch die alles entscheidende Frage, wie das falsche denn nun vom richtigen Engagement zu unterscheiden ist, wird eindeutig beantwortet: „Wenn Bands in ihrem Anspruch aufrichtig sind, dann spenden sie für die Zwecke, über die sie sprechen, promoten sie auf Konzerten und ihren Web-sites.“ Eine Praxis, in der die ADF absolute Höchstwerte erzielt: jeder kann hier andocken, der musikalische Ausbildungsarm der „ADF Education“ (ADFED) wie auch dessen politischer Ableger „ADFED“ (Information / Resource Centre) und die „Campaign Against Racism and Fascism“ steht on- und offline zur Verfügung und ist an ein internationales Netz linker Gruppierungen angebunden. Der ermüdende Weg des direkten Gesprächs am Info-Tisch gehört für die Fünf zum A und O ihrer Existenzberechtigung. Dass die gute Botschaft in ein wundersam stimmiges Miteinander von Dub, Hardcore und indischer Tradition gebettet ist und groovt wie die Hölle, dürfen wir getrost als lebensverlängernden Bonus akzeptieren.

Mo, 1. Mai, 21 Uhr, Große Freiheit