Nur wer sich ändert, bleibt jung

Das Tempodrom feiert am Wochenende seinen 20. Geburtstag im Kulturzelt am Ostbahnhof. Die Party wird eine Mischung aus Tempodrom-Classics und Surfsound-Boggie-Garagenbeat. Nur das Schweinchen kann nicht mittanzen

von ROLF LAUTENSCHLÄGER

Gerade bei 20 wird es schwierig, von „noch jung“ oder „schon alt“ zu sprechen. Mit 20 wird man Twen, mit 20 bleibt man unvernünftig, mit 20 geht man neue Wege. Was also? Mit 20 lebt es sich eben anachronistisch, rebellisch, dekonstruktivistisch-zukunftsorientiert.

Am Wochenende feiert das Kulturzelt Tempodrom seinen 20. Geburtstag. Und alles ist so wie der Wandel von noch jung zu etwas älter. Wie zu Zeiten des Aufbruchs 1980 am Potsdamer Platz spielt das Tempodrom in seinem blauroten Zelt, diesmal am Ostbahnhof. Immer noch kreisen ein paar bunte Zirkuswagen die Manege ein. Und für die Besucher stehen harte Holzbänke und Flaschenbier bereit. Zugleich plant Tempodrom-Chefin Irene Moessinger die Grundsteinlegung für das Neue Tempodrom am Anhalter Bahnhof Mitte Mai. Statt mobiler Zeltwand entsteht ein fester Bau. Und schmutzige Hosen oder Röcke wird man sich in der 40 Millionen Mark teuren Arena auf neuen Sitzen ebenfalls nicht holen – soweit dorthin überhaupt Menschen in Jeans, Leder- oder Schimanski-Jacken pilgern.

„20 Jahre Tempodrom“, hat Moessinger die Parole zum Geburtstag ausgegeben, „sind 20 Jahre Dynamik und Veränderung“. Selige Zeiten gab es im bekanntesten Kulturzelt der Republik nicht und wird es auch nicht geben. Eher heißt es: Wir beschleunigen das Tempo, Achtung, festhalten! So wie damals, 1980, als Moessinger mit 800.000 Mark aus einer Erbschaft sich das Zirkuszelt kaufte und am Potsdamer Platz Clowns, Artisten und Dompteure in einer Art Cirque Nouveau auftraten. Oder so wie damals, 1981, als das Kulturzelt Pleite machte, aber mit neuem Programm seine Wiedergeburt feierte. Und so wie damals, als das Tempodrom 1984 an den Standort im Tiergarten wechselte und zur Kultstätte des Jazz, Rock und Pop avancierte: Joan Baez, Paco de Lucía, Eric Burdon, Santana, Bob Dylan oder Lionel Hampton traten dort auf. „Heimatklänge“ wurde zum beliebten Festival ausländischer Rhythmen.

Mit dem Umzug an den Ostbahnhof 1998 hat sich das Tempodrom erneut gewandelt. Als Ort der Szene aus dem Ostteil der Stadt wartet das Tempodrom jetzt mit Garagenbeat, Parties, Techno und sonstigen DJ-Künsten auf, Altbewährtes wie „Heimatklänge“, Theater, Tanz- und Zirkusprojekte weiter inbegiffen. „Hier sollen die Leute zusammengebracht werden, die an diesem Ort das Geschehen bestimmen“, sagt Geschäftsführer Martin Agosti. So ist auch das Programm zum 20. Geburtstag eine Mischung aus bewährten und neuen Musikkonzepten. Unter dem Motto „Volles Pfund – 20 Jahre Tempodrom“ sind brasilianische Trommeln, Dancefloor mit DJ Delta und das Trio Space Hobos zu hören. Um Mitternacht wird es kostenlos „Sekt für 1.000 Besucher geben“, kündigt Moessinger an. Das Ende vom Lied wird sein, dass das Tempodrom ein Jahr älter geworden ist, sich aber immer wieder jung, rebellisch et cetera gibt. „Du musst unbedingt schreiben, dass wir auch den 20. Geburtstag für den Kinderzirkus feiern“, sagt Moessinger, mit Jongleuren, Clowns und Feuerzauber. Damals, 1980, war das ihr Part in der Manege. Moessinger und das Schweinchen. Auch das gibts heute nicht mehr.

„Volles Pfund – 20 Jahre Tempodrom“, ab Sonntag 20.00 Uhr im Tempodrom-Zelt am Ostbahnhof