Ein Filter für das Urheberrecht

Die Plattenindustrie will illegale Musik-Files aus dem Netz herausfiltern lassen. Doch die Technik ermöglicht auch Zensur anderer Dateien, wie Nachrichten oder Pornografie. Kritiker fürchten einen Dominoeffekt – und lehnen den Filter ab
von MALTE KREUTZFELDT

Zum Teufel mit dem globalen Netz, wünscht sich die internationale Plattenindustrie, seit der Dateistandard MP3 das Herunterladen von Musiktiteln so leicht macht. Die deutsche Phonowirtschaft will sich nun ihre Wünsche erfüllen und nationale Zäune ins Internet ziehen. Ein entsprechendes Filtersystem soll die Songpiraterie unterbinden und Musikfreunde wieder an die Ladenkasse zwingen.

Über 800 Abmahnungen hat der Bundesverband der Phonografischen Wirtschaft (IFPI) im vergangenen Jahr an MP3-Provider verschickt. Denn in den meisten Fällen verstößt die Weitergabe der Dateien gegen das Urheberrecht. Die Firmen können also gerichtlich gegen die MP3-Anbieter vorgehen. Allerdings funktioniert das nur, wenn sich die Server innerhalb Deutschlands befinden – gegen Daten auf ausländischen Computern ist die Industrie rechtlich weiterhin machtlos.

Und da kommt der Filter ins Spiel. Dabei handelt es sich um eine Software mit dem schönen Namen „Rights Protection System“ (RTS). Diese würde jeden Abruf einer ausländischen Internetseite mit einer „Negativliste“ vergleichen, auf der alle illegalen Musikdateien verzeichnet sind. Bei Übereinstimmung würde die Verbindung zu dem Server automatisch blockiert.

Um eine lückenlose Überprüfung zu ermöglichen, müsste das System von jedem Internet-Provider eingeführt werden, der selbst Leitungen ins Ausland unterhält. In Deutschland sind dies etwa 70 Unternehmen, die von der Phonoindustrie bereits über die Pläne informiert worden sind. Provider, die nicht kooperieren wollen, müssen sich auf massiven Druck und Klagen einstellen. Martin Schaefer, Geschäftsführer des deutschen IFPI, verweist auf das Teledienstgesetz. Danach haften die Provider für illegale Angebote, wenn sie davon Kenntnis haben und es technisch möglich ist, den Zugriff zu verhindern.

Weil die Resonanz auf den Vorstoß der Phonoindustrie bisher eher zurückhaltend ist, sucht der Verband nun offenbar nach Verbündeten, die ebenfalls an einer „Grenzkontrolle“ für Internetdaten interessiert sein könnten. Schließlich lässt sich der RPS-Filter nicht nur gegen MP3-Dateien einsetzen. „Auch andere haben sich sehr dafür interessiert“, sagt Schaefer. Neben dem Handel mit illegalen Gütern könnten durch die Adressfilterung auch Pornografie, politische Hetze und Steuerhinterziehung verhindert werden.

Vor allem diese Möglichkeiten der Ausweitung provozieren Widerstand. Die neue Technologie könne „die Basisarchitektur des Internets verändern“, kritisiert etwa der „Förderverein Informationstechnologie und Gesellschaft“ (Fitug). Dies würde „die Räume auch für legale Betätigungsformen erheblich einschränken“. Tatsächlich nutzen andere Länder bereits vergleichbare Filtersoftware, um ihren Bürgern unerwünschte ausländische Nachrichten zu zensieren.

„Natürlich kann man auch dieses System missbrauchen“, räumt Martin Schaefer vom Phono-Verband ein. Doch dies sei nicht das Problem der Industrie, die lediglich das Urheberrecht durchsetzen wolle. Den freien Informationsfluss im Internet zu gewährleisten, ergänzt Schaefer, sei Aufgabe des Staates.

Die Fitug ist von dieser Argumentation nicht überzeugt. Die Organisation befürchtet, dass auf die Einführung von RPS weitere Schritte folgen könnten. Weil verschlüsselte Daten nicht überprüft werden können, sei langfristig mit einer Einschränkung der Kryptografie zu rechnen, sollte sich das System durchsetzen. Und durch die theoretische Möglichkeit, auch genau zu protokollieren, wer die gesperrten Seiten aufrufen wollte, befürchtet Fitug eine Kontrolle der gesamten Kommunikation übers Internet, die zu „monströser Zensur“ und einer „Atmosphäre der Angst“ führen werde.

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