CDU will nicht neidisch sein

Bald unter drei Millionen Arbeitslose? Die geradezu euphorischen Prognosen zur Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt erfreuen die Bundesregierung – und machen der Opposition das Leben schwer. Union wirft Rot-Grün Schönfärberei vor

von LUKAS WALLRAFF

Die positiven Prognosen der Bundesanstalt für Arbeit und führender Wirtschaftsinstitute sorgen bei der Regierung für Euphorie. Kein Wunder: Wenn die Arbeitslosigkeit tatsächlich – wie es das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) für möglich hält – bis Mitte 2002 auf „unter drei Millionen“ sinkt, hat Rot-Grün die kommende Bundestagswahl schon halb gewonnen. Das weiß natürlich auch die Opposition – und reagiert entsprechend verhalten.

„Ich freue mich ja“, sagte Unions-Fraktionsvize Peter Rauen gestern zur taz. Der Rückgang der Arbeitslosenzahlen sei natürlich zu begrüßen. Er wehrte sich jedoch gegen „die Versuche von Rot-Grün, den aktuellen Trend als Erfolg der Regierungspolitik zu verkaufen“. Was getan werde, reiche nicht aus. Um die Arbeitslosigkeit langfristig zu bekämpfen, müssten vor allem die mittleren und kleinen Betriebe, die den Großteil der Arbeitsplätze zur Verfügung stellen, steuerlich entlastet werden.

Der CDU-Finanzexperte wirft der Regierung Schönfärberei vor. „Die Arbeitslosenzahlen allein sind nur teilweise interessant“, betonte Rauen. Seit Rot-Grün regiert, sei die Zahl der Erwerbstätigen effektiv um eine halbe Million gesunken. Außerdem kritisiert Rauen, dass die Regierung seit Anfang 1999 keinen Überblick über die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mehr veröffentliche.

Trotzdem streitet auch die Union nicht mehr ab, dass sich die Aussichten verbessert haben. Es ist ja nicht nur die Regierung, die optimistisch in die Zukunft blickt, sondern auch der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit, Bernhard Jagoda, der der CDU angehört. Jagoda hatte in der Westfälischen Rundschau vorausgesagt, dass die Arbeitslosigkeit in den nächsten zehn Jahren halbiert werden könne. Vor allem die jüngsten Wirtschaftsprognosen gäben „Anlass zur Hoffnung“. Entsprechend korrigiert nun auch die CDU ihre Einschätzung. Vor einer Woche hatte Fraktions-Geschäftsführer Hans-Peter Repnik noch die „schlechte Bilanz der rot-grünen Koalition“ angeprangert: „Die Arbeitsmarktlage zeigt keinerlei Anzeichen einer durchgreifenden Besserung.“ Das wollte Fraktionsvize Rauen gestern nicht mehr so stehen lassen: „Sagen wir, es gibt keine ausreichenden Anzeichen.“

Noch ehrlicher als Rauen äußerte sich der Vorsitzende der Arbeitnehmergruppe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Karl-Josef Laumann. Der bereits vorhandene Rückgang der Arbeitslosigkeit und die günstigen Aussichten seien nicht zu leugnen: „Da darf man jetzt nicht neidisch sein“, sagte Laumann zur taz. „Ich wünsche mir ja auch, dass es so kommt und die Arbeitslosigkeit weiter sinkt.“ Freimütig gibt er zu, dass es für die Opposition angesichts der positiven Zahlen schwieriger wird, in den kommenden Wahlkämpfen auf die Fehler der Regierung hinzuweisen. Seine Strategie: Er will der Regierung Plagiat vorwerfen. „Wir müssen rüberbringen, dass die relativen Erfolge auf unserer eigenen Konzeption beruhen.“ Der Rückgang der Arbeitslosigkeit sei nur möglich geworden, weil Rot-Grün jetzt das tue, was die Union immer gewollt habe – insbesondere in der Steuerpolitik. Da habe die SPD unter Oskar Lafontaine zu Zeiten der christlich-liberalen Regierung immer blockiert. „Wenn die Regierung jetzt bei der Steuerreform das tut, was wir schon immer gefordert haben, brauchen wir uns nicht verstecken.“

Wie schwer die Oppositionsarbeit für die CDU wird, deutete sich in den ersten Reaktionen auf die Prognosen Jagodas und der Wirtschaftsinstitute an. So nannte die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer (SPD) prompt die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung als Grund für die günstigen Arbeitsmarkt-Aussichten. Die Bundesregierung habe die Rahmenbedingungen für ein stabiles Wachstum geschaffen und – vor allem durch die Steuerreform – das Vertrauen der Wirtschaft zurückgewonnen, lobte Engelen-Kefer gestern in der Bild-Zeitung.

BDI-Chef Hans-Olaf Henkel bemühte sich, nicht als Fan von Rot-Grün verstanden zu werden, und warnte, die Bundesregierung dürfe sich nicht auf den prognostizierten Zahlen „ausruhen“. Die Warnung ist wohl berechtigt, denn die Regierung wird geradezu verwöhnt: Gestern zeigte sich auch die Dresdner Bank mit einer Prognose von 2,8 Millionen Arbeitslosen für Ende 2002 äußerst optimistisch. Ebenso das Hamburger Welt-Wirtschaftliche Archiv (HWWA): Wenn alles so weitergehe wie bisher, „sind wir im Sommer 2002 ganz nah an drei Millionen dran“. Und Rot-Grün ganz nah am Wahlsieg.