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: Mit neuen, modernen Sprichwörtern in die Zukunft schauen

RORORO-ROTFUCHS 2000

Neulich habe ich auf einer Party jemanden kennen gelernt, der früher bei den „Vier Ausrufezeichen“ war. Sehr beeindruckend. Ich selber habe es mit meiner Freundin damals zwar immerhin auf eine eigene Detektei gebracht, komplett mit Fingerabdruckpulver (Kakao für helle Flächen, Babypuder für dunkle), Phantombildfolien und einem Riesenverkleidungsfundus, der uns Neunjährige in alte, merkwürdige, Quentin-Crisp-ähnliche Tunten mit sichtbar angeklebten Knetenasen verwandelte. Richtige Aufträge kamen aber nur selten rein.

Als wir drei Jahre später dann nur noch naserümpfend die Kinder belächelten, die in der „Drei Fragezeichen“-Vereinszeitung Anzeigen wie „Die fünf Simicolons übernehmen noch Aufträge im Raum Stuttgart“ oder „Die rote Hand – Wir lösen jeden Fall in Fisselhövede“ schalteten, wurde mir auch sonst so einiges klar. Oder wussten Sie vielleicht immer schon, wie man „Recherchen“ ausspricht? „Bob – Recherchen und Archiv“. Ich meine, ist mir das etwa in die Wiege gelegt worden oder was?! Ich stamme schließlich nicht aus einem Journalistenhaushalt, und „Recherchen“ bekam erst Jahre später seinen Platz in meinem aktiven Wortschatz. Der „Vier Ausrufezeichen“-Mensch war übrigens, genau wie ich, auch Mitglied im rororo-Rotfuchs-Club.

Allerdings hat er nie den rororo-Rotfuchs-Mitgliedszeitungs-„Plattenspieler unter einer Mark“ gebastelt, mit dem man Singles abspielen konnte – leider nur einmal, was ich nicht wusste, als ich die ersten drei Singles damit verschandelte (Näh- statt Plattennadel). So viel zu rosigen Kindheitserinnerungen. Kurz noch etwas zu Singles: Eine andere Partybekanntschaft hat vor einiger Zeit in einer Band gespielt, die „Mary Champagne and the Mineral Waters“ hieß, an sich schon ein Grund, skeptisch zu sein. Aber dazu hat der Mann auch noch fiktive Singlecover gebastelt und 100fach fotokopiert, dann olle, billige, grundschlechte Singles vom Flohmarkt aufgekauft, sie in die „Mary Champagne“-Cover gesteckt und bei den Konzerten an gutmütige Mitmenschen vertickt!

Ist das hinterhältig oder was?! So etwas Furchtbares habe ich nur einmal erlebt, als in meiner neu gekauften „Sham 69“-LP doch tatsächlich eine „James Last“-Platte steckte! Was Grund zu der Annahme gibt, dass im Eichenwohnzimmer eines James-Last-Fans zu „Who Gives A Damn“ gewippt wird. Wer eine subversivere Art kennt, das Scheißsystem zu kritisieren, der möge jetzt vortreten oder für immer schweigen. Schauen wir lieber in die Zukunft. Ich eröffne hier und heute eine neue Unterrubrik mit dem Titel: „Sprichworte des neuen Jahrtausends“.

Oder gehen Ihnen diese ganzen altmodischen „Morgenstund hat Gold im Mund“-Blödsinnsphrasen nicht auch total auf die Nerven? Das erste moderne Sprichwort meiner Rubrik stammt von einem Freund, der die Treppen zur ankommenden U-Bahn hinaufraste. Er verpasste die Bahn, aber ein alter Mann (Volksmund!) sagte weise und nachdrücklich zu ihm: „Laufe nie zu einer U-Bahn. Gehe langsam, und du kommst pünktlich zur nächsten!“

Ein weiteres modernes Sprichwort, das ich mir ausgedacht habe, lautet: „Menschen, die gepierct sind, die haben es auch verdient“. Ich habe noch ein paar mehr in petto, aber Sie können sich ja eh nicht so viel auf einmal merken, n’est-ce pas? Wohl wieder zu viel getrunken gestern, was? Ach nein, das war ja ich. JENNI ZYLKA