„Nicht sehr rosig“

Lieblingsgegner Schweiz plagt die deutschen Fußballer beim 1:1 im Jubiläumsspiel des DFB

KAISERSLAUTERN taz ■ Die Schweiz war während des 2. Weltkriegs nicht nur gegen das faschistische Italien, sondern auch gegen Nazi-Deutschland angetreten. Sie hatte schon 1950 als erstes Land dem besiegten Nachbarn erneut die Ehre gegeben. Und sie hat freundlicherweise von 46 Ländervergleichen bislang 33 verloren. Gründe genug, um des Deutschen Fußball-Bundes liebster Fußballgegner zu sein. Bis Mittwoch Abend im Fritz-Walter-Stadion.

Da wurden die Jubiläumsgegner des 100 Jahre alten DFB zu undankbaren Spielverderbern und düpierten die deutsche Mannschaft, gut sechs Wochen vor der Europameisterschaft. Die haben die Schweizer unnötigerweise verpennt und verpasst, weil die Dänen in Italien gewannen. Doch nach dem 1:1 in der Pfalz hätte so mancher enttäuschte Beobachter die Euro-Tickets den Deutschen am liebsten weggenommen und sie den wackeren Schweizern gegeben.

Schon nach wenigen Minuten nahmen die Deutschen das selbst vorgelegte Tempo aus dem Spiel und ermunterten die bis dahin respektvollen Schweizer zum Handeln. Die spielten aus einer kompakten Viererabwehr um den designierten Lauterer Murat Yakin und hatten mit Ciriaco Sforza eine kluge Schaltstelle im Mittelfeld. Ziege und Scholl erklärten sich bald nach Spielbeginn verletzt, und nach dem überraschenden 0:1 durch Hakan Yakin in der 33. Minute gesellte sich zu den offiziell Maladen noch der pomadige Babbel („Stechen im Oberschenkel“).

Das Schweizer Tor passte ideal zum Spiel: Jens Lehmann, bereits vor dem Spiel beim Verlesen der Aufstellung ausgepfiffen, ließ einen Distanzschuss passieren und sah dabei erneut aus wie ein unbeholfener Kasper. Danach schallten fast nur noch die vorher eher zaghaften „Hopp Schwyz!“-Rufe durch das ohne echte Betze-Fans reichlich schlapp wirkende und gerade zu zwei Dritteln gefüllte Stadion.

Die Frage bleibt: Weshalb hält Erich Ribbeck an einem Torhüter fest, der ein Sicherheitsrisiko für jede Abwehr ist? Zumal Lehmann auch keinen Fettnapf auslässt, in den es sich zu treten lohnt. Bälle ungewollt ins Aus zu schlagen ist zu seiner Spezialität geworden und reizt das Publikum, das ihn offensichtlich eh nicht mag. Mit dem obligatorischen Kaugummi im Mund, das seine Gesichtszüge allmählich kantig erscheinen lässt, meinte Lehmann nur: „Ich habe wohl im Moment eine Pechsträhne. Das Wichtigste für mich ist jetzt, dass Borussia Dortmund in der Bundesliga bleibt.“

Die Schweizer waren auch in der 2. Halbzeit besser, übertrieben es aber mit der Anzahl ihrer Spielstationen. Die eingewechselten Rink und Kirsten waren zwar einige Male gefährlich vor Zuberbühlers Tor aufgekreuzt, aber die Schweizer verteidigten klug, schalteten schnell um auf Angriff, so dass die Wirkung der Neuen verpuffte. Am Ende wurden die Schweizer das Opfer einer Fehlentscheidung des schwedischen Schiedsrichters. Vor Kirstens 1:1 in der 85. Minute hatte Ballack den Torhüter Zuberbühler offenkundig gefoult. Die wütenden Proteste der Schweizer nutzten nichts, und wie wenig Gerechtigkeitsempfinden die Fans der deutschen Nationalmannschaft haben, bewiesen die nun wieder hörbaren „Deutschland“-Rufe. Wenigstens blieb es beim Unentschieden.

Am Ende saß nicht nur ein völlig in seinem Selbstwertgefühl beschädigter Torhüter, der am besten von sich aus auf die Euro verzichten sollte, vor Mikros und Kameras, sondern auch ein Erich Ribbeck (siehe Seite 4), dem nach diesem Tiefschlag der Kummer noch tiefere Falten gegraben hatte. Er hatte sich alles „anders vorgestellt“.

DFB-Präsident Egidius Braun bekundete, die Nationalmannschaft sei „im Moment dabei, an Ansehen zu verlieren“. Eine deutsche Nationalmannschaft könne sich nicht erlauben, solche unbefriedigende Spiele abzuliefern. Braun: „Wenn sie bei der EM so spielt wie heute, sieht es nicht sehr rosig aus.“ Herthas Marko Rehmer sah „zu viel mit der Brechstange“ hantiert. Kapitän Oliver Bierhoff, erneut ohne Treffer: „Wir sind selber etwas ratlos, warum es so schlecht gelaufen ist. Wir haben ohne Ideen gespielt.“

Die Chancen auf einen längeren Urlaub für die jetzt schon erschöpften deutschen Euro-Kicker stehen nicht schlecht. Vielleicht schon ab dem 21. Juni, dem letzten Vorrundenspiel?

G. ROHRBACHER-LIST

Deutschland: Lehmann - Babbel(35. Wörns), Matthäus, Linke - Rehmer (68. Neuville), Ballack, Wosz(46. Rink), Ziege (19. Bode) - Scholl(24. Hamann) - Bierhoff, Preetz(46. Kirsten) Schweiz: Zuberbühler - Haas, Müller, Murat Yakin, Mazzarelli - Cantaluppi (88. Jeanneret), Vogel, Sforza, Bühlmann (83. Gerber) - Sesa, HakanYakin (70. Rey) Schiedsrichter: Norman (Schweden) Zuschauer: 30.000Tore: 0:1 Hakan Yakin (33.),1:1 Kirsten (85.)