Der Unterhändler

Der südphilippinische Gouverneur und Exrebellenführer Nur Misuari soll jetzt die Freilassung der aus Malaysia entführten Touristen erreichen

Der muslimische Gouverneur der südphilippinischen „Autonomen Region Muslim-Mindanao“, Nur Misuari, ist am Mittwoch von Präsident Joseph Estrada zum Unterhändler ernannt worden, um die Freilassung der rund 20 ausländischen Touristen und Einheimischen zu erreichen. Sie waren am Sonntag aus einem Badeort im ostmalaysischen Sipadan entführt worden. Die Kidnapper sind mutmassliche Rebellen der islamistischen Separatistengruppe Abu Sayyaf („Träger des Schwertes“), die ihre Geiseln inzwischen auf die Insel Jolo gebracht haben sollen. Sie gehört zu Misuaris Einflussbereich.

Der 1940 im Sulu-Archipel geborene Politiker führt die „Moro National Liberation Front“ (MNLF), die selbst von 1972 bis 1996 bewaffnet für einen eigenen Muslimstaat im Süden der überwiegend christlichen Philippinen kämpfte. Misuari war Ende der 60er Jahre zunächst in Manilas kommunistischer Studentenbewegung radikalisiert worden. Als Präsident Ferdinand Marcos 1969 durch massiven Wahlbetrug an der Macht blieb, schickten traditionelle Muslimführer aus dem Süden 70 junge Männer zum Guerillatraining ins benachbarte Malaysia. Nach seiner dortigen Ausbildung brach Misuari mit den alten Führern, die ihm zu gemäßigt waren. Er setzte sich an die Spitze der neuen MNLF und begann 1972 mit Unterstützung arabischer Staaten den Guerillakrieg.

Nachdem schwere Kämpfe zehntausende von Toten gefordert hatten, einigte sich Misuari 1976 mit Imelda Marcos in seinem libyschen Exil auf ein Abkommen, das eine Autonomie für 13 muslimische Südprovinzen vorsah. Doch Marcos und seine Frau dachten nicht daran, sich an das Abkommen zu halten.

Ab 1978 flammten die Kämpfe wieder auf, nachdem sich die MNLF gespalten hatte. 1989 stimmten in einer Volksabstimmung nur vier der urprünglich 13 Provinzen für die autonome muslimische Region, deren Gouverneur Misuari schließlich nach einem weiteren Friedensvertrag von 1996 wurde. Er galt als kriegsmüde und des über 20-jährigen Exils im Nahen Osten überdrüssig. Die gesisichtswahrende Kapitulation wurde ihm zudem mit der Aussicht auf Entwicklungshilfe versüßt. Seitdem gelang es Misuari aber nicht, das Schicksal seiner Glaubensbrüder zu verbessern.

So wie er selbst früher gegen das traditionelle muslimische Establishment aufbegehrte, so verweigern ihm heute Jüngere die Gefolgschaft. Bei Abu Sayyaf finden sich Kämpfer, die einst auf Misuari hörten. Ob sie dies jetzt wieder tun, bleibt abzuwarten. Die Vermittlung ist jedoch eine Chance für Misuari, seine Macht zu stärken. SVEN HANSEN