Rot-grünes Scharmützel am Rhein

Zähneknirschend versprachen die Sozis in Nordrhein-Westfalen den Grünen drei Naturschutzgebiete. Wie die Staatskanzlei von SPD-Ministerpräsident Wolfgang Clement versuchte, die ungeliebten Flächen doch noch zu verhindern

Von ANDREAS WYPUTTA

Krise im rot-grünen Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen: Wütend rief Umweltministerin Bärbel Höhn bei Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD) an. Ob der Regierungschef seinen Fraktionsvorsitzenden Manfred Dammeyer nun völlig bloßstellen wolle, fragte die Grüne.

Gerade hatte die Umweltministerin den Sozialdemokraten aus der Patsche geholfen. Das SPD-geführte Wirtschaftsministerium hatte ein Gesetz so formuliert, dass die Betreiberfirma des geplanten Kohletagebaugebietes Garzweiler II bei Clement intervenierte. Nach dem neuen Verbandsklagerecht könnten Umweltverbände die Erschließungsarbeiten erheblich verzögern, befürchteten die Vertreter der Firma Rheinbraun. Erst eine Übergangsregelung, die nur das Umweltministerium noch nachträglich einbauen konnte, schien zu sichern, dass das neue Recht erst nach den Erschließungsarbeiten greift.

Dammeyer hatte mit den Grünen verhandelt, und die hatten sich den Gefallen bezahlen lassen: So verpflichtete sich die Regierung, drei weitere Naturschutzgebiete auszuweisen und eine Umweltstiftung zu gründen. Auch ihr Vorhaben, Werbung von Privatunternehmen an Schulen zuzulassen, mussten die Sozialdemokraten aufgeben. Aber als Umweltministerin Höhn die Meldung der Naturschutzgebiete bei der EU in Clements Düsseldorfer Staatskanzlei ankündigte, schlug deren Chef Georg Wilhelm Adomowitsch zurück: Erst müsse das Wirtschaftsministerium gefragt werden, verfügte er per Brief. Denn Höhns Naturschutzgebiete erschweren Industrieprojekte, etwa den weiteren Ausbau des Flughafens Münster-Osnabrück. Das Wirtschaftsministerium hätte sicherlich Bedenken angemeldet.

Nach einem persönlichen Gespräch mit Höhn gab die SPD nun klein bei: Alle Punkte des Kompromisspapiers werden umgesetzt. „Die Irritationen sind ausgeräumt“, bestätigt Thomas Griese, Staatssekretär in Höhns Umweltministerium. Die Folgen für den Flughafen Münster-Osnabrück könne er noch nicht abschätzen: „Der Ausbau ist weder unmöglich noch garantiert.“

Clement liebäugelt seit Wochen mit einer sozialliberalen Koalition. Der Kompromiss mit den Grünen scheint nur auf Druck von SPD-Generalsekretär Franz Müntefering zustande gekommen zu sein – Müntefering, der auch Vorsitzender der nordrhein-westfälischen SPD ist, fürchtete, Ärger in der NRW-Regierung könne auf die die rot-grüne Koalition im Bund abfärben. Führende Grüne sind trotzdem tief besorgt: Einer am Mittwoch veröffentlichte Forsa-Umfrage zufolge liegt die SPD bei 47, die Grünen jedoch nur noch bei knapp fünf Prozent. Die CDU käme laut Forsa auf 37, die FDP dagegen auf sieben Prozent. Der grüne Landessprecher Rainer Priggen befürchtet: „Wenn wir es nicht in den Landtag schaffen, gibt es in Düsseldorf die sozialliberale Koalition – und die hätte Signalwirkung für den Bund.“

Alles Quatsch, meint dagegen Fraktionssprecher Roland Appel. Das Gezerre um die Naturschutzgebiete zeige nur den „Fundamentalismus“ der Sozialdemokraten – schließlich sei Staatskanzleichef Adamowitsch bei dem Kompromissgespräch der Fraktionsspitzen dabei gewesen.