Die Bettgeschichten des Herrn Leisler Kiep

Der Ex-Schatzmeister hat Millionen von Siemens akquiriert, sagt sein ehemaliger Mitarbeiter Uwe Lüthje. Kiep leugnet souverän

BERLIN taz ■ Auch bei Bettgeschichten behält Walther Leisler Kiep die Contenance. Es heißt, der Ex-Schatzmeister der CDU habe einmal in einem Hotel eine illegale Spendenmillion in bar deponiert – unter der Bettdecke. Der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Volker Neumann, stellt Kiep die Frage nach dem Cash im Bett. Noch bevor Neumann zu Ende ist, wirft Grandsigneur Kiep lässig ein: „Ja, davon habe ich auch gehört.“ Punkt für Kiep.

Aber Neumann leitet nicht das erste Mal einen Ausschuss. Er wolle nicht wissen, ob Kiep von der Geschichte weiß, retourniert Neumann, sondern ob sie stimmt. Ob er, Kiep, die Barschaft im Bett platziert habe. Der lächelt unverdrossen: „Die Geschichte mit dem Geld unter der Bettdecke ist zweifellos sehr witzig und fantasievoll.“ Der Nachteil sei nur: Sie stimme nicht. Wieder ein Punkt für Kiep.

Und dann hängt der 74-jährige Weltreisende in Sachen Projektentwicklung in der Politik einen Nachsatz dran, den er gewiss als Matchball gewertet sehen möchte: „Ich hatte keine Spenden unter der Bettdecke.“ Weiterer Punkt. Dieser Satz geht an Kiep.

Aber das ganze Spiel hat er damit noch keineswegs gewonnen.

Die Geschichte nämlich aus einem Zürcher Hotel hat noch einen weiteren Beteiligten, einen wichtigen Zeugen. Uwe Lüthje, ehemaliger Generalbevollmächtigter der CDU und als solcher Zuarbeiter von Walther Leisler Kiep, erzählt eine ganz andere Geschichte vom Bett. Danach hat Kiep regelmäßig vom Siemens-Konzern Spenden akquiriert. Spenden in beachtlichen Dimensionen. Acht Millionen Mark oder sogar mehr sollen es insgesamt gewesen sein, die Kiep von einem Siemens-Manager entgegengenommen haben soll. Und eine Million davon, so die Erinnerung Lüthjes, habe Kiep ihm einmal eindrucksvoll präsentiert. Im Hotel habe der Schatzmeister den Generalbevollmächtigten mal unter die Decke sehen lassen. Und da lag sie: die Million in bar.

Für den eleganten und eloquenten Kiep ist diese Version gleich in mehrfacher Hinsicht höchst unangenehm. Kiep, der von 1971 bis 1992 CDU-Schatzmeister war, gerät damit in Widerspruch zu einem Mann, der gewiss nicht sein Format hat. Uwe Lüthje, gedrungene Figur, mächtige Brillengläser vor den Augen, Typ penibler Buchhalter, geht höchstens als Kofferträger des hochgewachsenen, sonoren Herrn Kiep durch. Aber Lüthje wirkt glaubwürdig – und nicht wie ein Filou. Punkt für Lüthje. Und damit für den Ausschuss.

Kiep will sich gerne grundsätzlich davon freisprechen, über die schwarzen Kassen der CDU in der Schweiz überhaupt etwas gewusst zu haben. 1979, so der Ex-Schatzmeister gestern erneut, habe er die Geldtransfers über die Schweiz „beendet“. 1979 war laut Kiep definitiv Schluss mit den Schweizer Transaktionen. Die Spenden von Siemens aber sind zwischen 1984 und 1992 erfolgt – in der Schweiz. Und zwar direkt an Kiep oder an Lüthje. Auch das ein Punkt für den Ausschuss.

Die über Kiep an die CDU transferierten Siemens-Spenden sind auch wegen des Gebers spannend. Die Millionen kamen nicht von Privat, sondern von einem Konzern mit handfesten wirtschaftlichen Interessen. Für den Untersuchungsausschuss ist wichtig: Konferierten die Konzernvertreter nur mit der CDU oder auch direkt mit der Regierung Kohl? Da sind die Ermittler des Bundestages fündig geworden. 1990 hatte der BND eine brisante Information für den Siemens-Konzern: Dass der gerade verhörte Honecker-Intimus Alexander Schalck-Golodkowski erzählt habe, dass Siemens verbotenerweise Hochtechnologie in die DDR geliefert habe. Das war nicht nur strafbar, sondern ein unfreundlicher Akt auch gegen die Nato-Verbündeten, die die Lieferung von Computer-Know-how in den Ostblock gar nicht gern sahen. Anstatt die Staatsanwaltschaft einzuschalten, gab der BND eine dezente Warnung an Siemens weiter – mit Kenntnis des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl. Das beweist ein Vermerk aus dem Kanzleramt.

Wenn der Untersuchungsausschuss diese Kiep-Siemens-Connection bis zu Kohl verlängern kann, dann könnte das zum entscheidenden Punkt werden. Für den Ausschuss, nicht für Kiep.

CHRISTIAN FÜLLER