Blackout hat Tradition in der CDU

Leisler Kiep beweist bei seinem Auftritt vor dem Untersuchungsausschuss, dass ein schwaches Gedächtnis in seiner Partei zum guten Ton gehört

aus Berlin KARIN NINK

Selbstsicher schreitet Walther Leisler Kiep zur Vernehmung des Untersuchungsausschusses. Das Heer der Kameras stört ihn nicht. Er genießt den öffentlichen Auftritt. Hatte er sich doch seit Beginn der von ihm losgetretenen Affäre in der Öffentlichkeit relativ rar gemacht. Nun also dreht er sich nonchalant zum Publikum, grüßt einen Spiegel-Redakteur, wirft seiner Frau einen aufmunternden Blick zu. Sie verfolgt die Vernehmung des ehemaligen CDU-Schatzmeisters aus der ersten Reihe.

Kiep hat zwei Anwälte mitgebracht. Schließlich ermittelt die Staatsanwaltschaft Augsburg gegen die Schlüsselfigur der CDU-Finanzaffäre wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Dabei geht es um die inzwischen berühmt gewordene Millionenspende des Waffenhändlers Karlheinz Schreiber, die Kiep und der ehemaligen CDU-Finanzberater Horst Weyrauch – einem billigen Krimi gleich – in einem Einkaufszentrum im schweizerischen St. Margarethen in einem schwarzen Koffer in Empfang genommen haben. Ausgehend von diesem dubiosen Geldtransfer nahm die Affäre ihren Lauf.

So mysteriös diese Geschichte nach wie vor ist, so ungeklärt bleiben auch die meisten Sachverhalte bei der Vernehmung von Kiep. Dabei war er auf das Verhör im Untersuchungsausschuss bestens vorbereitet. Minutiös haben seine Anwälte und er die Presseberichterstattung und die Unterlagen der Augsburger Staatsanwaltschaft verwertet und auf dieser Grundlage Kieps 24-seitige Erklärung verfasst.

Fünfzig Minuten lang liest Dr. h.c. Walther Leisler Kiep seine Ausführungen vor. Er äußert sich zu allen Themenkomplexen, gibt aber immer nur so viel zu, wie ihm aus den Unterlagen nachgewiesen werden kann. Nur zu der Millionenspende von St. Margarethen will er sich nicht äußern. Nicht, weil er sich auf sein Aussageverweigerungsrecht berufen möchte, sondern „aus Respekt“ vor dem Augsburger Gericht. Nach wie vor der formvollendete Gentleman, der Herr Kiep! Mochten seine Erklärungen auf den ersten Blick noch so schlüssig wirken – gelogen hat der Träger des Großen Bundesverdienstkreuzes mit Stern, der 21 Jahre lang als Schatzmeister die Spenden für die CDU sammelte, dennoch: Ganz offensichtlich im Zusammenhang mit dem so genannten Bearhead-Projekt von Karlheinz Schreiber, dessen Ziel die Errichtung einer Thyssen-Panzerfabrik in Kanada war.

Da will Kiep sich nur kurz – und wie in vielen anderen Fällen auch üblich – für Schreiber eingesetzt haben. Doch der Ausschuss konnte nachweisen, dass Kiep wesentlich länger und intensiver mit dem Panzerfabrikprojekt des Waffenhändlers beschäftigt war.

Kiep bestätigte gestern auch in diesem Fall zunächst nur das, was schon längst bekannt war: Dass er im April 1993 einen Brief an Kohl geschrieben habe, in dem er sich für das Projekt verwendet hatte. Diesem Schreiben sei als Anlage ein vierseitiger Brief von Herrn Schreiber beigefügt gewesen, der ihm „durch Mitglieder des kanadischen Kabinetts empfohlen waren war“.

Mit der Weitergabe des Briefes aber „war der Vorgang für mich erledigt“, so Kiep. Lediglich bei einem Gespräch mit Kohl, bei dem es um die deutsch-amerikanischen Beziehungen gegangen sei, habe er möglicherweise „am Rande das Anliegen des Herrn Schreiber“ noch einmal „erwähnt“.

Bei dieser Darstellung blieb Kiep – bis das SPD-Ausschussmitglied Peter Wilhelm Danckert ihm einen Brief vom 28. Mai 1993 vorhielt, bei dem es erneut um Schreibers Bearhead-Projekt geht. Darin schreibt Kiep an den „lieben Helmut“ und verweist darauf, dass es offensichtlich Probleme bei der Informationsübermittlung zu dem Projekt gegeben habe und er davon ausgehe, dass Kohl sich in Kürze weiter damit befasse.

„Erinnern Sie sich an den Brief?“, will Danckert wissen. „Ich habe keine Erinnerung gehabt, aber wenn Sie ihn mir vorlegen, exisitiert er“, windet sich Kiep. Danckert verweist auf ein Postskriptum, in dem Kiep sich bei Kohl für ein signiertes Bild bedankt und bohrt weiter: „Erinnern Sie sich jetzt?“ Kiep wird ungehalten. Ja, er habe ein Bild von Kohl, aber ob es sich dabei um eben dieses handle, wisse er nicht. Es wird schon paradox, als Kiep am Ende schließlich einräumt: „Es ist ein Brief von mir, aber der ist mir nicht mehr bekannt.“

Auf die rhetorische Frage, er habe sich also doch mehr und länger als bisher zugegeben für das Projekt des Waffenhändlers Schreiber engagiert, antwortet Kiep mit einem knappen „Jawohl“. Verwies aber erneut darauf, dass dieser Brief in seinen Unterlagen fehle und man von ihm nicht erwarten könne, dass er sich nach sieben Jahren noch detailliert erinnere. „Dazu bin ich – vielleicht auf Grund meines fortgeschrittenen Alters – außerstande“, kokettierte der 74-jährige Motorradfan. Da hatte sich der Kaufmann mit den verdammt guten Kontakten in die Industrie wieder im Griff.

Selbstverständlich konnte er sich anschließend auch nicht mehr an einen Brief von Schreiber erinnern, der seinem zweiten Schreiben an Kohl vorausgegangen war. Darin nimmt Schreiber Bezug auf ein Treffen, dass er als „ausgesprochen positives Ereignis“ in Erinnerung habe und beschwert sich dann, dass Kohl offensichtlich die falschen Informationen über sein Projekt bekommen habe. Den Vorhaltungen des Grünen-Abgeordneten Christian Ströbele entzog sich Kiep: „Tatsächlich kann ich mich nicht erinnern, dass das Geschäft weitergegangen ist.“

So wenig er sich daran erinnern konnte, so wenig konnte oder wollte Walther Leisler Kiep von so manchem anderen Detail der CDU-Finanzaffäre Kenntnis haben. Weder von den angeblichen Millionen-Spenden der Firma Siemens (siehe Text unten) noch von dem illegalen „Kontenlabyrinth“, das sein langjähriger Vertrauer Horst Weyrauch für die CDU angelegt hatte. Im Nachhinein, so räumte Kiep ein, hätte er sich „viel intensiver“ um die finanziellen Abwicklungen kümmern müssen.

Aber Weyrauch, der auch 30 Jahre lang Kieps persönlicher Steuerberater gewesen war, „war für mich die absolute Vertrauensperson, der Garant für sachliche Richtigkeit und formale Ordnungsgemäßheit“. Kiep musste allerdings auch einräumen, dass es eine Unterschriftenkarte aus dem Jahr 1975 gibt, wonach er, Lüthje und Weyrauch für ein Schweizer Konto zeichnungsberechtigt waren.

Der ehemalige Schatzmeister der Christdemokraten konnte auch nicht erklären, wo das Geld der so genannten Norfolk-Konten geblieben ist. Er bestreitet, bei der Auflösung der Konten Bargeld bekommen zu haben – wie Lüthje und Weyrauch behaupten. Allerdings kann er nicht garantieren, dass kein Geld davon auf seine Konten geflossen sei. Schließlich habe Weyrauch eine Generalvollmacht von ihm für seine Finanzgeschäfte gehabt.

Überhaupt hat Kiep die Schuldigen schon ausgemacht: Weyrauch, Lüthje und Schreiber. Er dagegen, der Grandseigneur der CDU-Finanzen, stilisiert sich zum Opfer. Das ohnehin ungeliebte Amt des Schatzmeisters sei für ihn „nur mit gravierenden Nachteilen“ verbunden gewesen, resümierte er unter Hinweis auf „17 Jahre Untersuchungen, Ermittlungen und Strafverfolgungen“ im Zusammenhang mit der Flick-Spendenaffäre und der jetztigen CDU-Affäre.