Gefährliche Brautschau

Auch Kröten haben Frühlingsgefühle. Doch auf dem Weg zum Laichplatz und zurück kommen die Amphibien oft unter die Räder  ■ Von Sebastian Leber

Es ist ein Kreuz mit dem Kröterich: Wie angewurzelt hockt er da und guckt nach paarungswilligen Weibchen. Regelmäßig und länglich pausiert er auf seinem Weg zum Laichplatz – bevorzugt auf glattem, ebenen Untergrund, zum Beispiel einer asphaltierten Straße. Und stören lässt sich das Krötenmännchen im Liebestaumel von nichts und niemandem, auch nicht von herannahenden Autos. „Ein denkbar ungünstiger Ort zur Brautschau“, meint Horst Schröder vom Hamburger Naturschutzbund Deutschland (NABU).

Wenn im Frühjahr die Tage länger und die Temperaturen freundlicher werden, erwacht die Kröte aus ihrem Winterschlaf und macht sich auf die Reise zu ihrem Laichplatz. Für viele Tiere endet die Wanderschaft tödlich, denn auf ihrem Weg passieren sie oft zwangsläufig vom Menschen erschlossenes Gebiet – und somit zahlreiche Straßen. Da die Kröten ausschließlich bei Dunkelheit unterwegs sind, werden sie leicht von Autofahrern übersehen; Tausende Amphibien kommen Jahr für Jahr auf diese Weise ums Leben.

Wem gehören die Straßen? Während Tierschützer um den Bestand der Amphibien fürchten, sind viele Landwirte und Anwohner auf die Verkehrswege angewiesen. Eine komplette Straßensperrung ist daher nur gegen erheblichen Widerstand durchzusetzen. So geschehen am Falkensteiner Ufer in Altona, wo der Autoverkehr in diesem Jahr von März bis Mitte April komplett eingestellt wurde. Die Anwohner beugten sich nur widerwillig dem Fahrverbot.

Zudem, so Naturschutzwart Jörg Hartmann, sind die Laichzeiten je nach Rasse und Witterung variabel. Während in einigen Gebieten Hamburgs nur noch wenige Kröten-Nachzügler eintreffen, ist beispielsweise am Wiemerskamper Weg in Duvenstedt/Wohldorf die Erdkröten-Wanderschaft noch in vollem Gange. Eine echte Alternative stellt die Amphibienschutzanlage Klövensteenweg dar, die 1996 im Naturschutzgebiet Schnaakenmoor installiert wurde. Mehrere tellergroße Tunnel legten NABU und Hamburger Umweltbehörde dort unter den Asphalt – Kostenpunkt: etwa 110.000 Mark. Seitdem können Kröte, Frosch und Molch gefahrlos zum Laichplatz und wieder zurück wandern, und die Anwohner müssen wegen der tunnelbedingten Unebenheiten langsamer fahren.

Dem einen oder anderen gehe „das ewige Gehoppel gehörig auf den Keks“, weiß Hans Stökl vom Bezirksamt Altona zu berichten. Aber letztlich habe noch jeder „den Sinn und Zweck dieser Anlage verstanden“. Tatsächlich haben die Röhren schon zahllosen Amphibien das Leben gerettet – auch der äußerst seltene Kamm-Molch laicht im Schnaakenmoor ab, er ist europaweit vom Aussterben bedroht.

Die Anlage Klövensteenweg ist in Hamburg einzigartig – zum Tunnelbau fehlt das Geld. Meist müssen die Tierschützer daher selbst aktiv werden. So wie Horst Schröder: Jedes Frühjahr ist das NABU-Mitglied am Eichelhäherkamp in Lemsahl-Mellingstedt im Einsatz. Mit Hilfe von Fangzäunen werden die Amphibien dort am Überqueren der Straße gehindert und abends oder am nächsten Morgen von ehrenamtlichen Helfern in Sicherheit gebracht. Die Mühe lohnt sich: Innerhalb von gerade einmal vier Jahren stieg die Krötenpopulation von 350 auf über 2000 Tiere an.

Auch Katrin Hilse aus Bergedorf hat ihr Herz an die Kröten verschenkt. Die angehende Ergotherapeutin engagiert sich seit Jahren im Amphibienschutz und ist an verschiedenen Stellen im Wohnviertel aktiv. Dabei schwärmt sie besonders von der „Hamburger Schmuddelwetter-Romantik“: Wenn sie frühmorgens bei Wind und Nieselregen die Tiere einsammelt, wünscht sie sich zunächst meist zurück ins kuschelige Bett. Doch dann denkt sie an die vielen kleinen Kröten, die dank ihr das Licht der Welt erblickten – und an die warme Dusche nach getaner Arbeit.

Wer in Hamburg monentan wo wandert, aber auch balzt oder brütet, darüber informiert das aktuelle Info-Telefon: 607 24 66.