Dumping? Find ich gut

Hamburger Otto-Versand setzt langjährige Angestellte im Call-Center unter Druck, einem schlechteren Tarifvertrag zuzustimmen  ■ Von Kai von Appen

„Otto find ich gut“? Die 120 MitarbeiterInnen des Call-Centers im Hamburger Otto-Versand sehen das momentan wohl anders. Das Management, das ansonsten dem Konzern gern ein soziales Image gibt, nötigte den Gewerkschaften HBV und DAG einen neuen, niedrigeren Haustarifvertrag ab und versucht nun, langjährige MitarbeiterInnen in das Niedrig-Tarifgefüge zu treiben. Nach Ansicht von Anwalt Klaus Bertelsmann, der einige Betroffene vertritt, ist das rechtlich unzulässig.

Der florierende Hamburger Global-Versand (1998: 29,7 Milliarden Mark Umsatz) beschäftigt bundesweit über 2000 MitarbeiterInnen in den sogenannten „Kundencentern“ zur Aufnahme von Bestellungen per Telefon und Computer. In Hamburg unterlagen die 120 Call-Leute bislang den „normalen“ Tarifbedingungen des Hamburger Einzelhandels. Seit Jahresbeginn gilt aber für Neueinstellungen ein niedrigerer Haustarifvertrag. HBV und DAG hatten dem zugestimmt, um ein drohendes Outsourcing des Call-Centers zu verhindern. Dafür, dass der Otto-Versand eine Standort- und Besitzstandsgarantie nach dem Einzelhandelstarif abgab, wurden die Tariflöhne bei Neueinstellungen in der Regel um 570 Mark gesenkt.

Was die Gewerkschaften nicht ahnten: Auch die schon länger angestellten MitarbeiterInnen sollen nun doch per Betriebsvereinbarung in den neuen Tarifvertrag eingruppiert werden. Zwar sollen sie als „Effektivlohn“ zunächst weiter den bisherigen Betrag bekommen. Dieser bestünde aber künftig aus dem niedrigeren „Tariflohn“ und „außertariflichen Zulagen“ – und da liegt der Haken. Denn je höher die Differenz zwischen Tarif- und Effektivlohn klafft, desto mehr kann der Konzern Tariferhöhungen mit den außertariflichen Zulagen verrechnen – will heißen: einsparen. Im Jahr 2000 soll die Lohnerhöhung der „Alten“ nur die Hälfte von der der „Neuen“ betragen. 2001 würde sie ganz ausfallen, 2002 wieder zur Hälfte gezahlt werden und so weiter. Nach Angaben von Otto-Betriebsratschef Karl-Georg Krützfeld soll diese Regelung für vier Jahre gelten.

Um sie reibungslos umsetzen zu können, werden MitarbeiterInnen jetzt dazu gedrängt, durch Änderungsverträge das neue Tarifgebaren anzuerkennen. „In Einzelgesprächen haben Führungskräfte unter anderem Änderungskündigungen angedroht“, berichtet Bertelsmann.

Nach Ansicht des Arbeitsrechtlers ist eine Umgruppierung nach dem neuen Tarifvertrag rechtlich gegen den Willen des Beschäftigten nicht durchsetzbar. Otto-Betriebsrat Eckard Heidke geht davon aus, dass die Drohungen der mittleren Führungskräfte „von der Personalleitung nicht gedeckt“ sind.