Der im Kaufhaus an die Wäsche geht

Bei Karstadt treibt ein Wäscheschlitzer sein Unwesen. Vermutlich handelt es sich um einen Fetischisten, glaubt Professor Doktor Rudolf Egg, der Direktor der Kriminologischen Zentralstelle in Wiesbaden. Doch was hat den Fetischisten aggressiv werden lassen?

Die Berliner Polizei fahndet derzeit nach einem Wäscheschlitzer. Der unbekannte, etwa 35 bis 40 Jahre alte Mann hat seit September 1998 in mindestens 14 Kaufhäusern des Karstadt-Konzerns in mehr als 50 Fällen Textilien durch Aufschlitzen beschädigt, meldet die Polizei. Der Schaden wird mit mindestens 100.000 Mark angegeben. Der Unbekannte schlitzte vorzugsweise Jacken und Bettwäsche mit einem klingenartigen Gegenstand auf. Nach Videobändern aus einer Überwachungskamera im Karstadt-Kaufhaus an der Weddinger Müllerstraße vom 24. Januar ist der Gesuchte Brillenträger und gutbürgerlich gekleidet.

taz: Wie würden Sie das Phänomen des Wäscheschlitzens psychologisch einordnen?

Rudolf Egg: Es sieht so aus, als wäre das jemand, der zur Gruppe der Fetischisten zählt. Das heißt eine spezielle sexuelle Neigung, die sich nicht auf Personen, sondern auf bestimmte Objekte oder Materialien konzentriert.

Warum machen manche Leute so etwas?

Bei den sexuellen Wünschen und Vorlieben gibt es sehr viele Spielarten. Beispielsweise kann jemand beim Sex Lack- und Lederkleidung oder Strapse bevorzugen. Im Extremfall kann es so sein, dass jemand sich darauf konzentriert, Schuhe von Frauen oder Unterwäsche von Wäscheleinen zu holen.

Politische Motive schließen Sie aus?

Ausschließen sollte man gar nichts. Es könnte auch sein, dass der gesuchte Wäscheschlitzer dem Karstadt-Konzern schaden will. Zum Beispiel jemand, der sich als Kunde benachteiligt fühlt, oder ein früherer Angestellter, dem gekündigt wurde und der eine Art Rachefeldzug bestreitet. Doch für mich sieht es zunächst nach fetischistischen Handlungen aus.

Wenn es sich um einen Fetischisten handelt, warum schlitzt er dann Wäsche?

Beim Schlitzen kommt das aggressive Moment hinzu, dass man das begehrte Objekt zerstören will. Das hängt vom Einzelfall ab. Irgenwann stellt jemand fest, ich habe Freude daran, wenn das kaputt geht, es erregt mich, wenn ich frische Wäsche zerstöre. Er stellt im Laufe seiner Entwicklung fest, das passt zu ihm. Es gibt beim Wäscheschlitzer sicherlich einen biografischen Hintergrund. Irgendein Trauma, irgendeine spezielle Erfahrung wird ihn dazu veranlassen.

Wie hält man einen Wäscheschlitzer vom Wäscheschlitzen ab?

Wenn es eine sexuelle Störung ist, dann müsste man zunächst die Bereitschaft, eine Art Änderungswunsch oder Leidensdruck bei dem Betreffenden sehen. Dann würde jede Form der intensiveren Psychotherapie grundsätzlich geeignet sein, um nachzufragen, was der Hintergrund dieser sexuellen Wünsche ist und wo es Möglichkeiten gäbe, das auf eine für andere Personen unschädliche Form zu befriedigen.

Wie erwischt man einen Wäscheschlitzer am besten?

Augen auf ist da das richtige Mittel. Der Wäscheschlitzer macht das ja in der Öffentlichkeit und nicht klammheimlich nachts. Er ist ja tagsüber in den Läden, sodass die Verkäufer und Kunden aufmerksam sein sollten, ob jemand in der Wäscheabteilung sich in ungewöhnlicher Weise zu schaffen macht.

Kommt das Wäscheschlitzer- Phänomen häufig vor?

Von Wäscheschlitzern habe ich speziell noch nichts gehört, aber von ähnlichen Formen. Dass jemand Frauenschuhe oder Unterwäsche sammelt oder Frauen die Zöpfe abschneidet. Grundsätzlich ist Fetischismus eine relativ häufige Spielart des Sexuellen. Etliches davon gehört zur normalen und von vielen Leuten praktizierten Sexualität, die für andere meist völlig unschädlich ist. Im Extremfall, wenn diese Form der Sexualität vollständig die partnerbezogene Sexualität ersetzt, handelt es sich um eine behandlungsbedürftige sexuelle Abweichung. Auch dann muss es sich aber nicht automatisch um strafbares Verhalten handeln. Nur einige wenige Fetischisten werden also auch strafrechtlich auffällig. Fast ausschließlich handelt es sich bei den Fetischisten übrigens um Männer.

INTERVIEW: KIRSTEN KÜPPERS