Zweisprachig schon in der Kita

Türkische Vereine starten Bildungskampagne, um zweisprachigen Unterricht zu fördern. Schulsenator ist grundsätzlich dafür, hat aber kein zusätzliches Geld

Möglichst schon in der Kita, aber spätestens ab der ersten Klasse sollen Kinder türkischer Herkunft in ihrer Muttersprache unterrichtet werden. Gleichzeitig sollen türkische Eltern motiviert werden, ihren Kindern frühzeitig das Erlernen der deutschen Sprache zu ermöglichen. Das fordern die türkische Gemeinde in Deutschland sowie verschiedene türkische Eltern-, Lehrer- und Studentenvereine. Sie haben gestern ihre bundesweite Erziehungs- und Bildungskampagne in Berlin vorgestellt.

Die Verbände sorgen sich um die große Zahl von Kindern türkischer Herkunft, die „ohne oder nur mit geringen Deutschkenntnissen“ in die Grundschule eintreten. Dieses Defizit sei schwer aufzuholen und ein wesentlicher Grund für die schlechten Schulabschlüsse dieser Kinder. „Deshalb ist es wichtig, die Eltern zu motivieren, ihre Kinder frühzeitig in die Kita zu schicken,“ sagt Ertekin Özcan, Bundesvorsitzender der Föderation türkischer Elternvereine in Deutschland.

In Berlin behalten nach Özcans Angaben etwa ein Drittel der Eltern türkischer Herkunft ihre Kinder in der Vorschulzeit zu Hause. Die Gründe sind unterschiedlich: Die Eltern scheuen die Ausgaben oder befürchten eine sprachliche und kulturelle Entfremdung ihrer Kinder. Andere sind nicht ausreichend über das bestehende Angebot informiert. Das wollen die türkischen Verbände ändern und gleichzeitig die Angst der Eltern vor Entfremdung ernst nehmen: Das Erlernen der Muttersprache sei schließlich Voraussetzung für das Erlernen aller anderen Sprachen. Unter dem Motto „Schulsprache Deutsch, Muttersprache Türkisch“ fordern sie, dass das Fach „Türkische Sprache und Kultur“ als versetzungsrelevantes Regelfach bereits ab der ersten Klasse angeboten werden soll. Auch in den Oberschulen müsse der Türkischunterricht zum Stundenplan gehören. Bisher gibt es das Fach Türkisch nur an zwei Berliner Gymnasien und acht Gesamtschulen. Dieses Angebot können nach Angaben der türkischen Gemeinde nur rund 1.500 von 30.000 SchülerInnen türkischer Herkunft nutzen. Um mehr Lehrer für den Türkischunterricht fit zu machen, soll nach Vorstellung der Verbände ein weiteres Studienfach „Lehramt für Türkisch“ eingerichtet werden.

Die Schulbehörde nimmt die Ideen der Bildungskampagne zwar dankbar auf. „Der zweisprachige Unterricht muss aber auch finanzierbar und umsetzbar sein“, erklärte Sprecher Thomas John. Wenn die türkischen Dachverbände Anfang Juni Schulsenator Klaus Böger (SPD) überzeugen wollen, den zweisprachigen Unterricht auszubauen, brauchen sie starke Nerven. Denn für die Schulbehörde ist es „schon ein Erfolg“, den jetzigen Standard halten zu können. SILVIA LANGE