Fahrrad aus dem Paket

Die virtuellen Fahrradläden sind rund um die Uhr geöffnet und riechen nicht nach Gummi.Der Service nach dem Kauf ist auch möglich, aber nicht ganz einfach zu handhaben

von PAUL DE CHALET

Normalerweise wird in den Fahrradläden jedwede Konkurrenz misstrauisch beäugt. Die Fachgeschäfte sind – gemessen an den verkauften Stückzahlen – längst nicht mehr Rückgrat und Nabel der Branche. Etwa jeder zweite Kunde besorgt sich mittlerweile sein Velo im Kaufhaus, im Baumarkt, an der Tankstelle oder im Versandhandel. Oder bestellt es per Mausklick. Doch gerade die jüngste Entwicklung, der zarte Ansatz von E-Commerce in der Radwelt, scheint den Fachhandel nicht zu schrecken. Weil nämlich das Online-Shopping dessen „Kernkompetenz“, wie Ulrike Saade es nennt, überhaupt nicht in Frage stelle. Bis vor kurzem war Saade Geschäftsführerin eines Zusammenschlusses von 180 Fahrradläden (Verbund der selbst verwalteten Fahrradbetriebe), jetzt arbeitet sie mit eigener Firma (velokonzept) als Dienstleisterin für dieselbe Branche. Sie weiß, was Kunden wünschen: „Beratung, Service und die persönliche Beziehung zum Fachpersonal.“

Alles Dinge, die im Internet nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen zu haben sind. Und dennoch gehe der Umsatz per PC-Order „eindeutig nach oben“, gibt sich Daniel Schiffer von Rad Sport Arnold optimistisch. Das ist ein Laden in Koblenz, in dem sportliche Modelle in der ersten Reihe stehen. Seit vier Jahren vertreibt er über Kataloge eine Eigenmarke, die seit einiger Zeit auch übers Internet bestellt werden kann (www.canyon.de). Noch allerdings sei Net-Business ein „Beigeschäft“, sagt Schiffer, das bei Arnold lediglich 5 Prozent des Umsatzes ausmache.

Angeboten auf den Canyon-Seiten werden neben einigen Komponenten vor allem hochwertige Rennräder und MTBs. Bei den Roadrunnern etwa reicht die Preisspanne von 1.499 bis 4.999 Mark. Damit der Besucher auf den Geschmack kommt, lässt sich jedes Modell zoomen, an Informationen sind unter anderem Ausstattungsliste und Rahmengeometrie aufrufbar. Doch wer bestellen will, sollte sich schon auskennen, zumindest sollte er wissen, was unter „Schaltwerk: Shimano Ultegra, 9fach“ zu verstehen ist.

Ausgeliefert wird per Post zum einheitlichen Versandpreis von 39 Mark (innerhalb Deutschlands). Danach hat der Kunde noch kurz Hand anzulegen; laut Daniel Schiffer betrifft das nicht die Einstellarbeiten. Wem das Produkt nicht gefällt, kann es binnen 30 Tagen kostenlos zurücksenden. Gezahlt wird jedoch im Voraus oder per Nachnahme. Auch der Service läuft über den Postweg: Im ersten halben Jahr wird eine Rundum-Inspektion für 69 Mark angeboten, inklusive Transportkosten. Also das Bike wieder zur Post – und dann kann es passieren, dass es eine ganze Woche nicht zur Verfügung steht.

Noch längere Wurzeln im Versandhandel hat die Bicycles Räder AG. Sie unterhält drei Shops (Bielefeld, Essen, Hamburg), ist aber vor allem durch ihren Katalog bekannt geworden, der bereits im 19. Jahr erscheint. Das gesamte pralle Katalogangebot (heuer 230 Seiten) ist bereits seit 1996 auch im Netz zu finden (www.bicycles.de). Hier kann man auch „Bike-News“ aufrufen, etwa ein Interview mit dem Telekom-Teamarzt („Jan hat im Winter seriös gearbeitet“) oder den Wetterbericht, sich in Chats einklinken oder in Versteigerungen mit- und anbieten. „Kundenservice bedeutet für uns weit mehr als das Bereitstellen und Versenden von Ware“, philosophiert Vorstandschef Axel Böse. Wohl auf Grund des frühen Starts ins Internet erhalte seine AG mittlerweile 20 Prozent aller Bestellungen über E-Mails. Beim Navigieren stößt man zwar nicht gleich auf die Liefer- und Zahlungsbedingungen, doch spätestens beim Bestellen sind sie nicht mehr zu übersehen. Auch hier wird zweiwöchiges Rückgaberecht eingeräumt. Die Transportkosten trägt der Kunde (was nach dem gerade verabschiedeten Fernabsatzgesetz nicht mehr zulässig wäre). Für die Auslieferung zum Kunden sind 25 Mark fällig. Parts kommen im Normalfall frei ins Haus.

Bei Bicycles wird ebenfalls Sachverstand vorausgesetzt. Die meisten Fahrradmodelle sind zwar im Bild zu bewundern, aber beileibe nicht alle sind mit Beschreibung oder ausführlicher Ausstattungsliste versehen. Und die Preise? Nicht niedriger als in den drei Läden. Dafür gelten die zweijährige Garantie auf sämtliche Verschleißteile und die kostenfreie Erstinspektion für alle gleichermaßen. Doch gerade Letzteres war bisher für die Versandkunden „kein Thema“, wie man im Unternehmen sagt. Soll heißen: Wer per Katalog oder online kauft, verzichtet nahezu immer aufs Inspektionsangebot. Das Velo einpacken, zurückschicken und anschließend tagelanges Warten sind wohl doch zu große Hemmnisse.

Damit der Onlinekäufer überhaupt nicht auf den Gedanken kommen kann, Service solle er lieber vergessen, hat die Utopia Fahrradmanufaktur (www.utopia-fahrrad.de) diesen Punkt ganz anders geregelt: Die Bestellung kann erst dann abgesandt werden, wenn auf dem Formular die Adresse eines Fachgeschäftes angegeben ist. Über das wird dann ausgeliefert, und natürlich ist es der Ansprechpartner vor Ort. Zuständig für Wartung und Reparaturen. Utopia, ein für seine jahrelange Kundenaufklärungsarbeit bekannter Hersteller, schließt also den Fachhandel nicht aus, sondern sieht ihn als Partner. Eine Allianz, die im E-Commerce eigentlich nicht üblich ist. Eine Allianz, von der die Käufer profitieren können, die auf Beratung und persönlichen Kontakt Wert legen.