Kopfstand streng verboten

Die „Frankfurter Rundschau“ bekommt ein bisschen Farbe, eine neue Chefredaktion – und garantiert keine Blattreform. Dafür gibt’s ab heute immerhin ein neues Wochenendmagazin

von HEIDE PLATEN

Veränderung bei der Frankfurter Rundschau? Was eigentlich so wenig vorstellbar ist wie die Abschaffung der katholischen Kirche, ist tatsächlich wahr: Heute erscheint das neu gestylte Wochenendmagazin der FR. Farbe hält hier erstmals Einzug in in Ehren ergraute grün-schwarze Bleiwüsten, doch dies soll erst der Anfang sein. Und dann gibt es im Sommer auch noch eine neue Chefredaktion.

Veränderung aber tut nicht immer nur gut. Denn seit der schon im Herbst zwecks Auflagensteigerung verordneten Erweiterung des Wirtschaftsteils werden dessen köstlichste Stilblüten immer rarer – und macht sich dem Restblatt angepasste Langeweile breit. Der Wirtschaftsteil der dicken Konkurrentin Frankfurter Allgemeine Zeitung mochte den besseren Ruf für sich behalten, die komischeren Überschriften hatte bislang allemal die FR. Diese scharfe Grenze zwischen frei- und unfreiwilligem Humor so traumwandlerisch und gnadenlos überschreiten zu können, das nämlich ist fast schon wieder genial. Oder etwa nicht? „Für alte Heizungen soll der Ofen bald aus sein“, „Wind und Sonne stehen unter Strom“ (27.4.2000). Oder, einen Tag zuvor: „Heiße Luft an den Börsen lässt die Kursblasen immer stärker anschwellen“. Und: „Pleitewelle ebbt ab“. Das ist immer wieder so wunderbar plastisch, platt und aus dem prallen Leben danebengegriffen. Nein? Doch! Bitte nicht ändern!

Zum Glück wird am Main nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Auch dann nicht, wenn Chefredakteur Roderich Reifenrath im Sommer den Platz freimachen wird für seine Nachfolger: Als Wachablösung folgen seine beiden stellvertretenden Redaktionsleiter Jochen Siemens und Hans-Helmut Kohl und eine noch nicht benannte Person. Denn Reifenrath schätzt Blatt-Reformen nicht und mahnte schon im vergangenen Jahr: „Sie können eine Zeitung nicht auf den Kopf stellen ohne die Gefahr ihres Todes.“

Branchenkritik wird stoisch weggesteckt

Aktionismus kommt auch trotz der Branchen-Lästereien kaum auf: Schnarchtante Rundschau, selbstgerechtes Besinnungsblatt, Überregionale mit Provinzattitüde – die FR hat das alles stoisch weggesteckt. Sie ist nicht nur redaktionell, sondern auch personell immer eine Meisterin im Beharren geblieben: Reifenrath war erst der dritte Chefredakteur des Blattes seit 1945.

Die FR schwenkte bald nach ihrer Gründung auf die sozialdemokratische und gewerkschaftstreue Linie ein – und blieb bis heute in Treue fest. Stets strenger und moralischer auf der Seite der Unterdrückten der Welt als die SPD-Modernisierer, ist die FR der Partei vor Wahlen dann doch immer wieder bis über die Schmerzgrenze hinaus treu.

Bis 1973 wurde sie vom Verleger Karl Gerold, legendäres Urgestein der Journalistik, durch die besseren Zeiten geführt. Dessen selbstgemachte Gedichte zu ignorieren, das gehörte seinerzeit zur Frankfurter Kollegenhöflichkeit. Von 1973 bis 1992 leitete dann Werner Holzer das Blatt, das in den 70er Jahren zur Pflichtlektüre der braven wie der weniger braven Linken wurde. Doch in der Kohl-Ära liefen der FR die Leser davon. Reifenrath grummelte über den Trend zu Mainstream statt Meinung: „Es können nicht alle in der Mitte stehen.“

Zu Beginn des vergangenen Jahres humpelte die überregionale Tageszeitung, die zwei Drittel ihrer Auflage in Frankfurt und im Rhein-Main-Gebiet verkauft, der Spitzenreiterin Süddeutsche Zeitung – Tagesauflage 414.000 Exemplare – weit hinterher. Mit 189.000 lag sie auch abgeschlagen hinter der FAZ (400.000) und verlor sogar gegen die Welt (218.000). Im ersten Quartal 2000 strebt die Auflage langsam, so Verlagsleiter Utz Grimmer mit vorsichtigem Optimistismus, wieder der 200.000er-Marke zu.

In den vergangenen Jahren hatte die Grünweiße vom Main alle zagen Neuerungen so vorsichtig gewagt, dass selbst langjährige Leser kaum etwas merkten. 1994 kam ein zwar übersichtlicheres, aber fades Block-Layout; irgendwann verschwand die Witzchenseite, die einem verdienten Redakteur das Überleben gesichert hatte. Der Magazinteil geriet in der Beilage „Zeit und Bild“ moderner, eine Berlin-Seite pro Woche kam dazu.

Brav, politisch korrekt und bald auch in bunt

Nun also will sie bunt werden, die brave, politisch superkorrekte FR mit den vielen mit grünschwarzer Tinte Gerechtigkeit herbeischreiben wollenden Gutmenschen in der Redaktion.

Das neue Magazin ersetzt die beiden Wochenendbeilagen „Magazin“, bisher vorwiegend ein Reiseteil, und „Zeit und Bild“. Der Umfang (24 Seiten) und das Format werden beibehalten. Das neue Magazin soll, sagt Grimmer, „eine Mischung sein, eine breite Palette von Reise, Lifestyle, moderner Technologie“. Er legt Wert darauf, dass das Magazin, wie auch anderes bei der FR, „kein neues, sondern ein verändertes“ sei: „Jetzt kommt ein bisschen Bewegung rein.“

Die Innovation im Vierfarbdruck ist weitgehend kostenneutral und „ein Vorgriff auf ein bisschen mehr Farbe“ für den restlichen redaktionellen Teil. Grimmer hat Vorbilder, „zwei Erfolgsstories für einen sehr gekonnten Relaunch“ in letzter Zeit: Welt und Handelsblatt. Folglich werden auch im Wirtschaftsteil der FR Farbgrafiken und bunte Tortenbilder einziehen. Was muss, das muss eben. Hauptsache, die Überschriften bleiben.