Burg mit König

Der THW Kiel fordert im Champions-League-Finale heute den übermächtigen FC Barcelona heraus

BARCELONA taz ■ Was das Nou Camp für die Fußballer des FC Barcelona ist, das ist der Palau Blaugrana für die Basketballer und Handballer des mitgliederstärksten Vereins Europas: eine Burg im internationalen Wettbewerb. Während die Qualifikation für das Champions-League-Finale in Spaniens Sportart Nummer eins noch andauert, geht es für die Handballer des katalanischen Eliteklubs am heutigen Sonnabend (18 Uhr, live in N3) im Europacup gegen den THW Kiel in ebenjener Festung bereits um die Wurst.

8.000 Fans werden hinter den erfolgsverwöhnten Spielern von Barça stehen, die einen Dreitore-Rückstand aus dem 25:28 im Hinspiel in Kiel aufholen müssen. Der prominenteste unter ihnen ist der spanische König Juan Carlos, dessen ganz besondere Unterstützung Iñaki Urdangarin, seinem Schwiegersohn, gelten wird.

Eine Anteilnahme, die auch Antonio Carlos Ortega, Rechtsaußen neben Urdangarin, sowohl bei den Blauroten als auch in der spanischen Nationalmannschaft, zu schätzen weiß, denn er kennt die Spieler des THW aus unzähligen Länderspielen. So ist der Kieler Rückraum mit dem des schwedischen Auswahlteams identisch, ergänzt durch den jugoslawischen Weltklassewerfer Nenad Perunicic. Und Ortegas direkter Gegenspieler ist der trickreiche dänische Linksaußen Nicolai Jacobsen. „Unser Publikum zu Hause ist wirklich fantastisch, und dieses Jahr werden wir die Fans ganz besonders brauchen. Nicht, dass es gegen Zagreb die letzten beiden Jahre einfach gewesen wäre, aber der THW ist ein verdammt starkes Team“, meint Ortega.

Auch Valero Rivera, einst selbst einer der besten Spieler des Klubs und nun bereits in seinem 17. Trainerjahr bei Barça, ist vorsichtig: „Es wird sehr schwer werden.“ Sollte der Coup gelingen, wäre es für das „Dream Team“, wie die Handballer von der heimischen Presse genannt werden, der fünfte Champions-League-Titel in Folge, der sechste insgesamt. Erfolge, die das Resultat einer kontinuierlichen, professionellen Trainingsarbeit auf höchstem Niveau sind, gestützt auf die finanzielle Sicherheit des millionenschweren Gesamtvereins FC Barcelona.

Dennoch braucht sich der THW, der nach den vergeblichen Anläufen der letzten Jahre nun endlich das lang ersehnte Finale erreichte und vom finanziellen Aspekt her die Erwartungen der Verantwortlichen bereits erfüllt hat, nicht zu verstecken. „Barcelona ist keine Übermannschaft. Wir haben schon in der ersten Partie bewiesen, dass wir mithalten können“, so Manager Uwe Schwenker. Und Trainer Svonimir Serdarusic ergänzt fast trotzig: „Natürlich haben wir eine realistische Chance. Ist denn Urdangarin besser als Olsson, Masip stärker als Wislander und trifft Lozano besser als Loevgren?“ „Die Spieler sind verhalten optimistisch, wissen aber, dass sie wieder aufopferungsvoll kämpfen müssen“, meint Schwenker. „Wir dürfen vor allem nicht den Fehler machen, das enorme Tempo anzunehmen, das Barcelona über 60 Minuten gehen kann.“ Die Frage ist, ob die Kraft des personell dünner besetzten Spielerkaders der Kieler ausreichen wird, den Spaniern Paroli zu bieten. Dafür sieht Schwenker sein Team in einem psychologischen Vorteil gegenüber dem Titelverteidiger: „Wir haben nichts zu verlieren.“

Einerlei, wer sich die europäische Krone der Landesmeister aufsetzen wird, gewiss ist schon jetzt: Es werden 60 Minuten Handball der Extraklasse zu sehen sein beim großen Showdown im Palau Blaugrana.

ANKE BARNKOTHE