Haftbefehl in Iran

Mit Kasem Kardavani wurde wieder ein Teilnehmer der Berliner Iran-Konferenz verhaftet. Unruhen in der Teheraner Universität

BERLIN taz ■ Erneut haben iranische Behörden Haftbefehl gegen einen Teilnehmer der Iran-Konferenz der Heinrich Böll Stiftung in Berlin Anfang April erlassen. Diesmal ist das Opfer Kasem Kardavani (53), Leiter der Abteilung für Französisch am Teheraner „Institut für Sprachen“ und Vorstandsmitglied des Iranischen Schriftstellerverbandes. Der Haftbefehls soll bereits am Montag ausgestellt worden sein. Das berichtete Kardavanis Frau am Donnerstag telefonisch aus Teheran. Sie habe am gleichen Tag zum zweiten Mal in dieser Woche Besuch von Behördenvertretern bekommen. Doch dieser blieb erfolglos. Kasem Kardavani hält sich derzeit in Frankreich auf.

Es ist mindestens der dritte Haftbefehl gegen einen Teilnehmer der Konferenz zum Reformprozess in der Islamischen Republik, die vom 7. bis zum 9. April im Berliner Haus der Kulturen der Welt stattfand. Kardavani hatte dort über die iranische Studentenbewegung referiert. Bereits Anfang der Woche war bekannt geworden, dass iranische Behörden Haftbefehl gegen den reformorientierten Geistlichen Hodschatolislam Jussefi Eschkevari erlassen haben. Auch er hält sich noch in Europa auf. Der Publizist Akbar Gandschi war unmittelbar nach seiner Rückkehr von der Konferenz in Teheran verhaftet worden und sitzt seither im berüchtigten Evin-Gefängnis.

Die Konferenz der Grünen-nahen Stiftung sollte die inneriranischen Reformkräfte stärken. Doch ein- bis zweihundert linke Exiliraner sorgten für das Gegenteil: Das iranische Fernsehen verbreitete die Proteste der teilweise nackt auftretenden Exilanten, und Irans konservative Reformgegner warfen die aus Teheran angereisten Teilnehmer mit diesen Demonstranten in einen Topf. Den Gegnern des Reformprozesses gilt die ganze Konferenz als „antiislamisch“ – ein wohlfeiler Anlass, die dort aufgetretenen Reformer zu verfolgen.

Seit der Konferenz in Berlin wurden in Teheran zudem insgesamt 15 reformorientierte Zeitungen verboten. Zugleich wurde am Donnerstag bekannt, dass sämtliche inhaftierten Verdächtigen, die hinter den Morden an mindestens fünf Regimekritikern Ende 1998 stecken sollen, in den vergangenen Tagen freigelassen wurden. Die Behörden hätten inzwischen „neue Verdächtige“ verhaftet, heißt es aus informierten Kreisen in Teheran. Einer der wichtigsten „Ermittler“ zu der Mordserie war der jetzt inhaftierte Journalist Akbar Gandschi.

Seit der Nacht zum Freitag gibt es zudem Unruhen in der Teheraner Universität. Nach Angaben von Augenzeugen ist es dabei zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Studenten und der Polizei gekommen. Die Studenten demonstrieren gegen das Verbot der Reformzeitungen. Präsident Chatami rief zur Ruhe auf.

THOMAS DREGER