Internationales Angebot

Die neue Hamburger Jazz-Geografie: Das Atrium präsentiert erstmals eine Jazzwoche in St. Pauli-Nord  ■ Von Tobias Richtsteig

Ist es Zufall, Ironie des Schicksals oder Kennzeichen für einen Wandel der Jazz-Szene in Hamburg? Während am Sonntag der traditionsreiche Dennis Swing Club endgültig die Kellertür schloss, meldet sich heute das Atrium in der Berns-torffstraße als Spielort für den Jazz zurück. Eine Jazzwoche soll der Auftakt zu regelmäßigen Konzerten sein. Natürlich ist das Zusammentreffen der Termine nur ein trauriger Zufall. Der Club in Uhlenhorst war trotz seines modernen Programms ein Geheimtipp geblieben, gesundheitliche Gründe verboten die weitere Selbstausbeutung der Betreiber. In der Bernstorffstraße dagegen hat man endlich eine Einigung mit den Nachbarn gefunden, die Konzerte zumindest bis 22.30 Uhr möglich macht.

Deutlich wird hier aber der Zustand der sogenannten Jazz-Szene. Eine Handvoll Fans trifft sich im verbliebenen Birdland, und Konzerte in Kirchen und Theatern locken vereinzelt das Pub-likum an. Dazwischen schalten Konzertagenturen Groß-Events. Aber am Hamburger Nachtleben nimmt der Jazz nicht teil. Nun will also die Jazzwoche im Atrium ein kleines, aber feines Festival im jährlichen Angebot werden. Hier sollen internationale Namen präsentiert werden, gleichzeitig aber auch die lokale Szene auftreten. Mit dem Programm von heute bis Sonntag scheint diese Gleichung aufzugehen.

Der New Yorker Pianist Richie Beirach ist so ein international bekannter Künstler. Dass er jetzt in Hamburg im Atrium spielt, liegt an der ungewöhnlichen Besetzung seiner Musik. Mit dem Violinisten Gregor Huebner stellt Beirach die neue CD Round about Bartok vor. Wer am Dienstagabend allerdings Swing-Geige im Stil des 1999 verstorbenen Stephane Grapelli vermutet, wird angenehm enttäuscht werden. Das Duo belebt die Musik der osteuropäischen Moderne neu und übersetzt die Spielhaltung der böhmisch-mährischen Musikanten in die Sprache des Jazz. Live begleitet werden die beiden vom Hamburger Bassisten Detlev Beier, den sie während der letzten Deutschland-Tournee trafen und als Dritten im Bunde aufnahmen.

CERCLE à DUE setzen diesem kammermusikalischen Ansatz am folgenden Abend ein Piano/Violinen-Duo der ganz anderen Art entgegen. Ihre freien Improvisationen stellen die musikalische Interaktion in den Mittelpunkt. Dieter Glawischnig ist einer der wichtigsten und interessantesten Pianisten im zeitgenössischen Jazz, ein Hamburger, für den diese Stadt eigentlich zu klein ist. Andreas Schreiber fing als Rocksänger an, fand aber schon bald mit der Geige eigene Möglichkeiten des Ausdrucks in der Improvisation mit Jazz und Neuer Musik. Die Gegenüberstellung dieser beiden Duos gehört zum Konzept der Jazzwoche. In den sechs Konzerten soll zwar nicht für jeden etwas, aber doch ein breites Spektrum geboten werden.

Der Veranstalter Stefan Höger vom Atrium will damit das Publikum auffordern, sich auf Ungewohntes einzulassen „Kommt he-rein, schaut es euch an, ihr könnt hinterher immer noch entscheiden, ob es euch gefällt oder nicht.“ Vorbehalte und Ängste stünden oft der eigenen Erfahrung vieler ZuhörerInnen im Wege, doch nach Konzerten würden sich die meisten positiv äußern: „Ich weiß zwar nicht warum, aber das gefällt mir.“

Nicht alle Konzerte sind so fordernd gedacht. Richtiger Groove kommt am Donnerstag mit dem Trio SchmidHübnerKrill ins Atrium. Auch hier steht der Flügel auf der Bühne, aber eben auch Bass und Schlagzeug. Mit dynamischen, bisweilen auch impressionistischen Eigenkompositionen markieren sie den Jazz-Mainstream am Anfang des 21. Jahrhunderts.

Der Samstagabend vereint Theater und musikalisches Experiment zwischen Thelonious Monk und John Cage. Die Tänzerin Trinidad Martinez trägt für die Performance „Perilous Navigations“ elektronische Sensoren am Körper, mit denen sie Klänge eines Samplers ansteuert. So interagiert sie mehr als tänzerisch mit Dayton Alleman am Klavier und dem Schlagzeuger Oliver Sell. Dieser weite Ausflug in die Sphären auch neben dem Jazz zeigt am besten den übergreifenden Charakter des Programms.

Die Jazzwoche im Atrium will fester Bestandteil der Hamburger Jazzszene werden, und Hamburger Jazzmusiker sind fester Bestandteil der Jazzwoche. So veredelt das Quartett um die Gitarristin Sandra Hempel und den Trompeter Jan-Peter Klöpfel die Sonntags-Matinee um 11 Uhr. Ohne Klavier lebt ihre lyrisch groovende Musik vom offenen Sound und der Flexibilität einer der besten Rythmusgruppen Hamburgs, mit Björn Lücker (Drum) und Philip Steen (Bass).

Am Abend hat dann der Vibraphonist Wolfgang Schlüter drei Musiker aus Leipzig zu Gast. Mit Dix-Kling-Moritz zeigt er nicht nur die Klangmöglichkeiten des Intruments mit dem Vibrato, sondern auch die Breite seines Repertoires, das vom klassischen Bop-Sound bis heute reicht. Ob der Hamburger Jazz tatsächlich in St.Pauli heimisch wird, bleibt abzuwarten. Mit der Jazzwoche ist die Absicht des Atriums jedenfalls unüberhörbar kundgetan.

Di, 2. Mai: Beirach-Huebner feat. Detlev Beier ; Mi, 3. Mai: CERCLE à DUE ; Do, 4. Mai: SchmidHübnerKrill ; Sa, 6. Mai: Perilous Navigations ; So, 7. Mai: Matinée Sandra Hempel/Jan-Peter-Klöpfel Quartett ; So, 7. Mai: Wolfgang Schlüter & Dix-Kling-Moritz ; Alle Konzerte 20.30 Uhr, außer Matinée: 11 Uhr, Atrium, Bernstorffstraße 93