Sind Sie fit für die Expo?

Ob Atomkraftgegner, verheiratet, Punk oder Autonome – die Expo ist für alle da. Nur rüsten sollte sie/er sich für den Ernstfall. Reisezeiten und Tipps für Zielgruppen aller Art

von JÜRGEN VOGES

Der Blick auf die Sonnenfinsternis vom letzten Sommer durch Wolken versperrt? Den Jahrtausendwechsel nur alkoholisiert überstanden? Keine Panik – in einem Monat steht der nächste Mega-Event ins Haus, genauso einmalig, wenn auch nicht ganz so schön. Diesmal können auch Sie mit klarem Bewusstsein und live dabei sein: An 153 Tagen, von Anfang Juni bis Ende Oktober, lädt Hannover zur Expo 2000: zum „Start ins Abenteuer Zukunft“. Die erste Weltausstellung in Deutschland sollten Sie keineswegs links liegen lassen. Denn nach menschlichem Ermessen wird sie zugleich auch die letzte sein. Schließlich ist bei Toresschluss ein vom Steuerzahler zu tragendes Defizit von einer oder auch eineinhalb Milliarden Mark zu erwarten. Hannover bietet in den fünf Expo-Monaten für jeden etwas. Wir bieten nur eine Orientierungshilfe. Entscheiden müssen Sie schon selbst, ob und auf welche Weise Sie bei der größten Werbeveranstaltung für Deutschlands Industrie dabei sein wollen.

1. Wie die Mehrzahl der taz-Leser sind auch Sie sicher AKW-Gegner und bringen für Fernsehsendungen mit Thomas Gottschalk allenfalls mäßiges Interesse auf. In diesem Falle sollten Sie bereits am 1. Juni zur großen Expo-Eröffnungsfeier nach Hannover reisen. Sie ersparen sich so die Eröffnungsgala mit Thomas Gottschalk, die abends live aus der „Preussag-Arena“ übertragen wird. Zwar werden Sie auch nicht zu den geladenen Gästen in der 13.500 Zuschauer fassenden Arena gehören, die am zentralen Weltausstellungsplatz, der Expo-Plaza, liegt. Zum Ausgleich können Sie dafür aber am 1. Juni gemeinsam mit Autonomen, Dritte-Welt- und Umweltgruppen an dem Aktionstag „Die Expo wird nicht eröffnet“ teilnehmen, bei dem am Expo-Eingang, an Straßenkreuzungen und Bahnstrecken Sand in das Weltausstellungsgetriebe gestreut werden soll. Auch AKW-Gegner aus dem Wendland haben ihr Erscheinen zum Expo-Auftakt bereits angedroht. Ein Transparent für den Sofortausstieg, gegen das Endlager Gorleben oder weitere Castor-Transporte würde sich also nicht schlecht machen.

2. Punks sollten erst Anfang August in die niedersächsische Landeshauptstadt reisen. Auf diversen Internetseiten wird seit Monaten für eine Neuauflage der hannoverschen Chaos-Tage geworben. Quasi im Windschatten der Weltausstellung, die allzu martialische Polizeieinsätze wegen des internationalen Publikums unmöglich machen könnte, soll Hannover ab Anfang August erneut zum Mekka aller Punker werden.

Aber aufgepasst: In Hannover-Langenhagen eröffnet Niedersachsen dieser Tage eine eigene Expo-Haftanstalt, die nicht nur als Abschiebeknast für den nahen Flughafen dienen, sondern auch deutsche Expo-Straftäter aufnehmen soll. Außerdem droht diesmal auch die Anreise zu den Chaos-Tagen in das knappe Geld zu gehen: Die Bahn hat in den fünf Expo-Monaten für den Raum Hannover ihre üblichen Sonderangebote gestrichen, darunter auch das bei Punkern so beliebte Wochenendticket.

3. Ein Problem mit der Expo scheinen auf den ersten Blick die Mitglieder und Wählerinnen der Grünen zu haben. Hatte die Partei doch die Ausstellung von Anfang an als Ressourcen und Flächen verbrauchenden Moloch bekämpft, der nur mehr Verkehrsströme produziere. Nun aber regieren die Grünen den Veranstalter, die Bundesrepublik Deutschland, und können schlecht mit der Trillerpfeife am Geländezaun stehen, wenn drinnen der heimliche Parteivorsitzende die Staatsgäste aus aller Welt begrüßt.

Einen Ausweg aus diesem Dilemma hat der zuständige niedersächsische Grünen-Landesverband gewiesen: „Kritisch begleiten“ sollen eingefleischte Grüne die Expo nunmehr. Trotz grundsätzlicher Kritik dürfen Sie sich mithin die raren ökologisch wertvollen Exponate auf der Weltausstellung mit dem Motto „Mensch Natur Technik“ durchaus anschauen. Unser Tipp: Kommen Sie als Grüner an einem Montag, dann bleiben Sie am ehesten unerkannt. Gegen schlechtes Gewissen hilft auch der Expo-Sparpreis der deutschen Bahn, mit dem Inhaber von Expo-Tickets zum Sondertarif und per Sonderzug direkt zum Messebahnhof am Expo-Gelände reisen können.

4. Sind Sie verheiratet, haben Kinder, ein eher durchschnittliches Einkommen, Bildungsniveau und fahren VW Golf? Dann gehören Sie zu jenen Deutschen, auf die die Expo GmbH mit ihrer Mischung aus Freizeitpark, Industrieshow und internationaler Folklore zuallererst als Besucher setzt. Aber leider ist es gerade in Ihrem Fall schwierig, einen geeigneten Termin für den Besuch der Ausstellung zu finden. Zum Expo-Auftakt wird wohl noch nicht alles fertig, geschweige denn begrünt sein. Außerdem stören dann die protestierenden Expo-Gegner. Ab 10. Juni nimmt die Fußball-Europameisterschaft den Rest des Monats in Beschlag. Der Juli ist in Hannover der regenreichste Monat, und bei schlechtem Wetter ist so eine Expo mit Kindern nervtötend. Ab Anfang August haben sich die Punker angesagt, und in der zweiten Septemberhälfte steht die Olympiade in Sydney auf Ihrem Fernsehprogramm. Im Oktober ist es nördlich der Main-Linie für Freiluftveranstaltungen jeder Art schon zu kalt. Es bleiben Ihnen also nur Ende August/Anfang September. Aber Vorsicht: Da fahren alle nach Hannover. Vergessen Sie also für den Stau die Gameboys der Kinder nicht, die stimmen auch gut auf die Weltausstellung ein.