„Alle hatten Schuldgefühle“

„Ein KZ wird geräumt“ zeigt, dass nach der Befreiung keine Freiheit kam  ■ Von Elke Spanner

Die Rechnung der Nazis ist aufgegangen. Die heutige Erinnerung an NS-Konzentrationslager wird von Fotos der Alliierten aus Bergen-Belsen, Sachsenhausen und Auschwitz nach der Befreiung geprägt. Das damalige Konzentrationslager Neuengamme bei Hamburg ist dagegen vergleichsweise unbekannt. Denn im April 1945, kurz bevor alliierte Truppen die Stadt erreichten, löste die SS das Lager auf, um die dortigen Gräuel zu vertuschen und Hamburg kampflos übergeben zu können. Als britische und US-amerikanische Soldaten eintrafen, war Neuengamme menschenleer – die Häftlinge befanden sich längst auf Todesmärschen- und Fahrten in andere Lager. Was mit den rund 50.000 Gefangenen geschah, thematisiert die Wanderausstellung „Ein KZ wird geräumt. Häftlinge zwischen Vernichtung und Befreiung“, die gestern im Museum für Hamburgische Geschichte eröffnet wurde.

Allein durch die Auflösung der Lager sind im Frühjahr 1945 noch rund 200.000 Häftlinge ums Leben gekommen. 14.000 Gefangene waren im April 1945 im Stammlager Neuengamme interniert, 35.000 in den über 60 Außenlagern in ganz Norddeutschland. In vier Themenblöcken stellt die Ausstellung deren weiteres Schicksal dar: Tausende werden per Zug oder zu Fuß in die Auffanglager Bergen-Belsen, Sandbostel und Wöbbelin geschickt. Dort stirbt ein großer Teil noch in den Tagen vor und nach der Befreiung.

Auch auf den sogenannten Todesmärschen dorthin, ein weiterer Baustein der Ausstellung, lassen viele Häftlinge ihr Leben – entkräftet, zusammengebrochen und dann von SSlern erschossen. „Alle hatten Schuldgefühle wegen der erschossenen Kameraden“, ist das Zitat eines Überlebenden zu lesen. „Hätten wir sie mitschleppen sollen, bis wir selbst neben ihnen zusammengebrochen wären?“

Die den Todesmarsch überleben, werden unter anderem in die schwimmenden KZs auf den Schiffen „Cap Arcona“ und „Thielbek“ in der Neustädter Bucht gesperrt. Die werden am 3. Mai 1945 von britischen Jagdfliegern bombardiert. Über 7000 Häftlinge sterben. Wirklich befreit werden im Zuge der Auflösung nur die Neuengamme-Insassen, denen der vierte Themenblock gewidmet ist: 4000 Gefangene aus Skandinavien werden am 20. April mit „weißen Bussen“ des Roten Kreuzes nach Schweden in die Freiheit gebracht.

Zusammengestellt wurde die Ausstellung vom „Freundeskreis KZ-Gedenkstätte Neuengamme“ nach Berichten von Überlebenden, Aussagen von SS–Angehörigen in anschließenden Kriegsverbrecherprozessen und Fotos, die die Alliierten von den aufgefundenen Lagern machten. Diese bilden zwar die Grundlage der Recherche, sind selbst aber nicht in der Ausstellung zu sehen, die dadurch textlastig geraten ist. In 40 Städten wird sie in den kommenden zwei Jahren zu sehen sein, ehe sie dann fester Bestandteil der KZ-Gedenkstätte Neuengamme werden soll.